© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/24 / 07. Juni 2024

Michael Stürzenberger. Wer ist der Mann, dem das Attentat galt, das einen Polizisten das Leben gekostet hat?
Der Rammbock
Moritz Schwarz

Das Schicksal des jungen Beamten Rouven L. war eigentlich ihm zugedacht: Als Suleiman A. erbarmungslos und mit, wie das Video des Attentats zeigt, unglaublicher Wucht das Messer immer wieder in seinen Leib stößt, ist der Tod nur Millimeter entfernt. Um Haaresbreite wäre Michael Stürzenberger, geboren im September 1964 in Bad Kissingen, nur 59 Jahre alt geworden.

Wer die Bilder des Angriffs sieht, kann kaum fassen, daß dieser Text kein Nachruf ist. Vielleicht weil der großgewachsene Franke selbst ein Rammbock ist, der Sturm des Angriffs auf die Vehemenz seiner eigenen Besessenheit trifft: Seit mehr als einem Jahrzehnt ist Stürzenberger Deutschlands entschlossenster Islamkritiker, ein Meinungsmissionar, der unermüdlich in Fußgängerzonen und auf Marktplätzen predigt, um die Deutschen zu seiner Sicht auf den Islam zu bekehren. Gemeinsam mit der Gruppierung „Bürgerbewegung Pax Europa“ organisiert er Info-Stände, stellt Plakate auf, hält mit einer Handvoll Anhänger Demos ab. Dabei geht Stürzenberger dahin, wo es weh tut und wo es gefährlich ist. Je mehr Migranten, desto besser. Er macht mit der Meinungsfreiheit radikal Ernst, greift verbal an, sucht die Konfrontation, will aufzeigen, wie „tolerant“ die Gesellschaft in Wahrheit ist und was so mancher Moslem wirklich denkt. Damit erzielt er erstaunliche Erfolge, denn wie er auf seinem Youtube-Kanal dokumentiert, entlockt er wütenden Muslimen immer wieder genau das, wovor er warnt.

Stürzenberger nimmt den Koran beim Wort – Resultat: Nicht dieser, er landet im Verfassungsschutzbericht.

Doch er dringt nicht durch, da die Medien, denen er meist als „Islamhasser“ (Deutschlandfunk) gilt, falls überhaupt nur negativ über ihn sprechen. Dabei nimmt Stürzenberger den Koran nur beim Wort und dessen politischen Anspruch ernst, Resultat: nicht dieser, er landete (von 2013 bis 2022) im bayerischen Verfassungsschutzbericht. Das funktioniert meist nach dem Prinzip, das was etwa beim „Kampf gegen Rechts“ als musterdemokratisch gilt, verfassungsfeindlich ist, wenn Stürzenberger es in Bezug auf den Islam tut, wie diesen auf sein Gefahrenpotential zu reduzieren. Gleichwohl zeigt die übereinstimmende Logik des „Kampfes gegen Rechts“ und des Denkens Stürzenbergers dessen Radikalität. 

Vielleicht ist es ja diese Doppelmoral, die ihn seinerseits in die vollen gehen läßt. So propagierte er, der Islam sei eine NS-ähnliche Ideologie, trat 2014 bei den „Hooligans gegen Salafisten“ auf, wo die Menge laut Zeit während seiner Rede forderte, einen Koran anzuzünden. Oder verlangte 2020 zur „Entschärfung des politischen Islam“ dazu auf, radikale Moslem „wie die Chinesen“ in „Umerziehungslager“ zu stecken, was „zwar im demokratischen Rechtsstaat nicht Mittel der Wahl (ist), aber ... Ultima ratio, wenn‘s hier richtig kracht“. Das freilich geht über alles bisherige im „Kampf gegen Rechts“ und sicher auch über das Grundgesetz hinaus.

Wie hat sich der ehemalige RTL/Sat.1-Sportreporter so radikalisiert? Im JF-TV-Interview (siehe Seite 7) am Tag nach dem Anschlag sagt er, alles habe mit dem 11. September 2001 begonnen. 2011 trennte er sich von der Münchner CSU, deren Pressesprecher er damals war. 2013 wird er Chef der erfolglosen Kleinpartei Die Freiheit und Zugpferd des Vereins Pax Europa. Und immer wieder wird er bei öffentlichen Reden tätlich attackiert, gar mit dem Tod bedroht. Nun sind diesen Worten erstmals Taten gefolgt.