Noch vor wenigen Jahren hieß es „Wieviel ist dein Outfit wert?“ Die Logos der Luxusmarken konnten gar nicht groß genug sein. Das doppelte GG für Gucci, das doppelte CC für Chanel, CD für Christian Dior, H für Hermès und F für Fendi prangten von den Schuhen bis zum Hut überall. Protzen und klotzen statt Zurückhaltung. Angetrieben von sozialen Medien sowie reichen Influencern, Filmpromis und Musikstars mußte jeder Normalo plötzlich auch einen Louis-Vuitton-, Prada- oder Balanciaga-Schriftzug am Leib tragen oder in der Hand halten. Mobbing und Hänseleien unter Jugendlichen, wer sich was leisten kann und wer nicht, gehören seitdem zum Alltag. Kein HipHop-Video oder -Songtext kommt ohne die Zurschaustellung und Nennung teurer Marken aus, „flexen“ ist angesagt, also das angeberische Zeigen dessen, was man (vermeintlich) hat. Mehr Schein als Sein.
Erkennungsmerkmale nur für Eingeweihte
Das lockt auch die „Prolls“ und Neureichen an. Die Brennpunkt-Teenies wollen natürlich nicht nur Mercedes fahren, sondern ebenfalls Gucci-Caps und Vetements-Shirts haben. Ein Fest für Fälscher. Über Urlaube, Heimatbesuche und Internetshops werden deutsche Schulhöfe und Fußgängerzonen von Plagiaten geflutet. Doch Fälschungen, „Assis“ im gleichen Look, Angeberposen, (Klein)Kriminellen-Statussymbole und omnipräsentes „Das tragen jetzt alle“ stößt erfahrungsgemäß die wirklich Reichen ab; wollen sie doch einzigartig sein, sich abheben. Hinzu kamen Corona, Wirtschaftsflauten, Krieg, Sanktionen, Inflation. Wohlhabendsein inmitten von Wohlstandsvernichtung ist nicht mehr unbedingt cool oder von Vorteil. Nicht jeder Reiche will noch sofort als Reicher erkannt werden.
Understatement ist daher wieder in. Leiser Luxus ist der Trend der Stunde. Kleine bis gar keine Logos. Dezente Wiedererkennungsmerkmale, die nur wirklich Eingeweihten, ebenfalls Reichen ins Auge fallen. Teuer darf es trotzdem gern sein, am besten sogar noch teurer, um alle Faker, Poser und Schauspieler auszusortieren. Längst hat sich der „Old Money Style“ (re)etabliert. Mehr Sein als Schein – allerdings wieder nur auf der materiellen, monetären Ebene. Abgrenzung zu denen, die nur nach außen vorgeben, viel Geld zu haben oder zwar viel Geld (aus zum Teil halbseidenen Kanälen) besitzen, aber aus elitärem Exklusivitätsgebaren heraus unappetitlich und nicht standesgemäß erscheinen: „Stealth Wealth“. So kostet zum Beispiel ein simples einfarbiges Trägerhemd ohne jegliches Emblem von The Row stolze 730 Euro.
Gleichzeitig droht der gedrehte Wind einige bisherige Vorzeigespieler vom Brett beziehungsweise Laufsteg zu fegen. Neben Burberry kämpft Gucci beispielsweise mit schlechten Zahlen. Zu lange vom Show-Hype profitieren wollend, hat die mittlerweile zum französischen Kering-Konzern gehörende Firma auf massenhaften Absatz gesetzt, sogar Sale- und Outlet-Aktionen mitgemacht; das genaue Gegenteil von Luxus. Von der Pariser Banlieue bis Berlin-Neukölln laufen „Gangster“ und die, die sich dafür halten, nun mit dem berühmten wie dadurch zunehmend verschrienen Logo herum.
Hermès dagegen hat es verstanden, seinen Ruf zu bewahren und hat die künstliche Verknappung wie Rolex noch weiter optimiert. Für einige Kulthandtaschen wie die Kelly-Bag oder die Birkin-Bag gibt es wie für die Uhren lange Wartelisten und -zeiten.
Andere Unternehmen von Totême bis Raey schrauben ihre Kollektionen und Designs auf Schlichtheit herunter: die Basics der Mode. Die lange als Alte-Damen-Dreß belächelte Chanel-Kostümjacke erfährt eine Wiederentdeckung; insbesondere beim jungen Publikum. Vielleicht zu spät? In dem Modehaus gab es unter der Regie von Karl Lagergeld nur noch eine einzige betagte französische Madame, die eine ganz spezielle komplizierte Verarbeitungstechnik perfekt beherrschte – der aus Hamburg stammende Modeschöpfer ist 2019 verstorben.
Hoffnung macht dennoch das verstärkte Interesse an echter Qualität und Handwerksarbeit. Leiser Luxus ist gar nicht neu, sondern lediglich die Wiedergeburt des altbekannten klassischen Stils. Erkennbar edle Stoffe, ikonische unsterbliche Schnitte und akkurate Verarbeitungen bis hin zu Maßanfertigungen sind gefragt. Gewiefte Sparfüchse haben auch hier längst Alternativen zur Londoner Savile Row parat: Schneider in Indien, Thailand und der Türkei können ebenfalls Maßband und Stecknadeln handhaben und Sakkos mit aufknöpfbaren Armelknöpfen als zartes Ausrufezeichen nähen.
Spielraum für neue oder fast vergessene traditionelle Anbieter, kleine Boutiquen und Schneiderateliers – die vielleicht nächsten großen Global Player. Auch Louis Vuitton hat einst mit einer neuartigen Idee von leicht stapelbarem Reisegepäck als Koffermanufaktur angefangen. Doch am Ende droht ein Kreislauf: Auf den Hype folgt die gesteigerte Produktion bis hin zur Massenware, darauf folgt der Qualitätsverlust und oft die sinkende Beliebtheit; und ein neuer Hype mit neuen „It-Brands“ muß her.