© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/24 / 31. Mai 2024

„Bemerkenswerte Gelassenheit“
Das jüngste Saar-Hochwasser war nicht dem Klimawandel geschuldet / Aus dem Ahrtal-Desaster einiges gelernt
Christian Schreiber

Die Saar war noch nicht wieder in ihr Bett zurückgekehrt, da tobte schon der Streit: „Da stellen sich dann die Vorsitzenden hin, Friedrich Merz, und sagen: Die Welt wird schon nicht untergehen. Sag das mal den Leuten im Saarland, für die ist die Welt untergegangen. Buchstäblich!“, entgegnete Robert Habeck auf eine Aussage des CDU-Chefs, der davor gewarnt hatte, die Klimadebatte überzubewerten. Enorme Regenmengen haben im Saarland Überflutungen, Erdrutsche und hohe Schäden verursacht.

Doch 134 Tote und Hunderte Verletzte wie bei der Ahrtal-Flut 2021 gab es nicht. Bei Bergungsarbeiten kam eine Person zu Tode, die mit einem Rettungsfahrzeug zusammenstieß. „Die Bevölkerung hat sehr besonnen reagiert“, konstatierte Ministerpräsidentin Anke Rehlinger. Offenbar hatten die Verantwortlichen Lehren aus dem Ahrtal-Desaster gezogen. Die Warn-Apps informierten frühzeitig über die Lage. Als am 17. Mai ersichtlich war, daß die Stadtautobahn in Saarbrücken überflutet würde, gab es bereits Katastrophenalarm.

Manche Erinnerungen wurden wach an die Weihnachtszeit 1993

Engmaschig informierten sie via Rundfunk und Internet über die Entwicklung. Die Saarländer sind Hochwasser gewöhnt. Die Autobahn A 620 in der Landeshauptstadt verläuft direkt neben dem Fluß und wird im Volksmund „breitester Nebenfluß der Saar“ genannt. Ein- bis zweimal pro Jahr ist sie daher gesperrt. In aller Regel verläuft das glimpflich. Die Debatte um Auswirkungen des Klimawandels hat die Saarländer irritiert. Erinnerungen wurden wach an die Weihnachtszeit 1993. Bei dem Jahrhunderthochwasser stieg der Pegel in Saarbrücken auf 8,24 Meter. Die Innenstadt lief voll. Diesmal wurde der Scheitelpunkt bei 6,40 Meter erreicht. Das soll die kritische Situation in den Abendstunden des 17. Mai nicht bagatellisieren. Aber schon 48 Stunden später kehrten viele zur Normalität zurück. In den Biergärten rund um die Saar, die einen Tag zuvor noch unter Wasser standen, begannen die Aufräumarbeiten.

Zwei Tage nach Pfingsten meldete das Innenministerium wieder Normalbetrieb. Doch die Schäden sind immens. Es hat vor allem Infrastruktur getroffen. In Saarbrücken wurde eine Tennis-Anlage komplett geflutet und weitgehend zerstört. Zahlreiche Straßen wurden beschädigt, auch Brückenpfeifer wurden in Mitleidenschaft gezogen. An manchen Landesstraßen im Saarland können die Sperrungen laut Landesbetrieb für Straßenbau längerfristig sein. Teilweise seien „immense Schäden“ zu beheben, insbesondere dann, wenn Straßen nicht allein durch Erdmassen oder Geröll blockiert, sondern weg- und eingebrochen seien, hieß es in einer Mitteilung.

Unterdessen wurde auch das Ausmaß des Unwetters bekannt. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) maß im Saarland stellenweise mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter in nicht einmal 24 Stunden. Im gesamten vergangenen Monat April waren in der Region rund 74 Liter Regen pro Quadratmeter gemessen worden – und dies war ein Sechstel mehr Niederschlag als normalerweise in dem Monat. „Es ist klar, daß wir es mit massiven Schäden an privatem Eigentum, aber auch an Infrastruktur wie Straßen, Brücken oder auch Kitas zu tun haben“, sagte Ministerpräsidentin Rehlinger. Die SPD-Politikerin fügte hinzu: „Wir werden sicherlich Jahre mit den Folgen kämpfen müssen.“ Unterdessen hat das SPD-Kabinett in Saarbrücken Soforthilfen auf den Weg gebracht, um betroffenen Menschen zu helfen. Denn auch an Privateigentum ist erheblicher Schaden entstanden. Keller liefen voll, teilweise bekamen Fundamente Risse. „Das Saarland hält zusammen. Wasserfest“, bemühte Rehlinger ein Wortspiel und lobte abermals die Bevölkerung und deren „bemerkenswerte Gelassenheit“.

Anmerkungen von „Wetterexperten“, die Menschen der Region müßten sich aufgrund der globalen Erwärmung verstärkt mit solchen Phänomen auseinandersetzen, wurden kaum zur Kenntnis genommen. „Es handele sich um ein Ereignis, wie es nur alle 20 bis 50 Jahre stattfinde“, teilte das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz in Saarbrücken mit. Und der Blick auf das letzte große Hochwasser im Jahr 1993 gibt der Statistik recht.

 www.saarbruecken.de/umwelt_und_klima/anpassung_an_den_klimawandel/hochwasser

Foto: Feuerwehreinsatz in der Saarbrücker Fröschengasse: Einige massive Schäden