© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/24 / 31. Mai 2024

Das Weltklima retten mit immer weniger deutschen Produktionsstätten
Grünes Wirtschaftswunder
Reiner Osbild

Einst herrschte ökologischer Pragmatismus, die Ziele Wachstum und Umwelt sollten vereint werden. Dieses Paradigma unter dem Schlagwort „Qualitatives Wachstum“ besagte, daß über spezifische Umweltsteuern das Wirtschaftswachstum umweltfreundlich gestaltet werden könne. Jene friedliche Koexistenz wurde in Deutschland schon vor der Ampel-Zeit aufgekündigt.

Inzwischen herrscht ein Klimafundamentalismus, dem Beschäftigung, Wachstum und Wohlstand hemmungslos untergeordnet werden. Beleg dafür ist die jüngste Umfrage des Ifo-Instituts, wonach sich die Wettbewerbsposition der deutschen Industrie innerhalb der EU und auf den Weltmärkten seit zwei Jahren verschlechtere. Innerhalb der EU berichteten die Unternehmen, daß sie bei der Wettbewerbsposition zurückfallen. Ähnliches gelte auf den Weltmärkten, wo diese Entwicklung schon im ersten Quartal 2022 begonnen habe. „Für die deutsche Industrie wird es schwieriger, sich im Wettbewerb zu behaupten“, sagt Ifo-Ökonom Klaus Wohlrabe.

Exemplarisch ist der Niedergang der Autoindustrie (JF 22/24): 2016 liefen noch 5,7 Millionen Pkws von den Bändern in Deutschland, 2023 waren es nur noch 4,1 Millionen. Der erzwungene Strukturwandel zum Elektroantrieb stellt heimische Zulieferer vor große Probleme, während die Weltkonzerne einfach mehr im Ausland produzieren. Das gilt auch für die von den Energiepreisen gebeutelte chemische Industrie, deren Flaggschiff BASF in Ludwigshafen abbaut, aber über zehn Milliarden Euro in China investiert.

Ob Abwanderung, Produktionskürzung oder Insolvenz: die Deindustrialisierung Deutschlands ist in vollem Gange. Ist sie sogar gewollt? Vieles spricht dafür, daß der Ehrgeiz von Robert Habeck darin besteht, seiner grünen Klientel zu erklären, Deutschland habe „seine“ Klimaziele erreicht – was in dreifachem Sinne Unsinn ist: Erstens nützt es dem Weltklima nichts, wenn ein Land mit 84,7 Millionen Einwohnern irgendwelche selbst gesteckten Ziele erreicht, der Rest der Welt mit einer Acht-Milliarden-Bevölkerung es jedoch bei Lippenbekenntnissen beläßt. Zweitens wird das verteufelte CO₂ nicht weniger, wenn statt in Deutschland verstärkt im Ausland produziert wird. Der niedrige Gas- und Strompreis in den USA verleitet im Gegenteil dazu, sorgloser mit den Ressourcen umzugehen.

Drittens wird die Angebotsseite übersehen: Gas, Kohle und Öl, die nicht mehr in Deutschland verbrannt werden, landen dann eben im Rest der Welt, wo über 95 Prozent der Weltproduktion erbracht werden. Solar- und Windenergie gewinnen zwar auch dort an Bedeutung, werden aber keineswegs als Allheilmittel angesehen. Die Vertreibung der Industrie wird zum umwelt- und klimapolitischen Bumerang.

Deutschland betrachtet sich zu Unrecht als Vorbild. Denn der offenkundige Verlust an Wettbewerbsfähigkeit ist ein starkes Indiz, daß die hiesige „Energiewende“ in eine Sackgasse führt. Insbesondere die rasch wachsenden Schwellenländer setzen auf Wachstum, getragen von Kernenergie und – weiterhin – fossilen Brennstoffen. Eine der wenigen Hoffnungen im trüben deutschen Umfeld bildet die Pharmaindustrie, deren Geschäftsklima stabil auf hohem Niveau verbleibt. Kein Wunder, möchte man sagen, ist doch Bill Gates in der Pharmabranche investiert; der WHO-Sponsor hält mit seinen Anzeigen auch etliche deutsche Medienhäuser über Wasser. Solch einen Menschenfreund vergrault man nicht gerne. Zufall oder nicht?