© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/24 / 31. Mai 2024

Ein Ausschluß mit Ansage
EU-Fraktion Identität und Demokratie: Unter Führung von Marine Le Pens Rassemblement schmiß die Gruppe die gesamte AfD aus ihren Reihen
Curd-Torsten Weick

Zum Schluß mußte alles ganz schnell gehen. Alle wichtigen Politiker und deren Mitarbeiter der EU-Fraktion Identität und Demokratie (ID) hatten wie auch die anderen Brüssel längst verlassen. Denn es ist EU-Wahlkampf. Doch Marine Le Pens Rassemblement (RN) machte Druck. Zwei Tage nachdem der RN-Vorsitzende und Spitzenkandidat für die Europawahlen im Juni, Jordan Bardella, den Bruch des Bündnisses zwischen seiner Partei und der AfD angekündigt hatte, sollten die Delegationen aus Frankreich (Rassemblement National), Italien (Lega), der Tschechischen Republik (SPD), Flandern (Vlaams Belang), Österreich (FPÖ), Estland (Ekre), Dänemark (DF, Dansk Folkeparti) und die deutsche AfD-Delegation selbst am vergangenen Donnerstag bis 15 Uhr per E-Mail über deren Ausschluß aus der Fraktion entscheiden.

Grund dafür war der jüngste Vorfall mit dem EU-AfD-Abgeordneten Maximilian Krah, der in einem Interview mit der Tageszeitung La Repubblica die Ansicht vertrat, daß ein SS-Mann „nicht automatisch ein Krimineller“ sei. In dem von Fraktionschef Marco Zanni (Lega) formulierten Antrag forderte die Fraktion Identität und Demokratie „ein Ende der Teilnahme der Mitglieder der deutschen Delegation (...) in Anbetracht der Reihe von Vorfällen, in die Maximilian Krah und damit auch die deutsche Delegation der Fraktion verwickelt waren“. Nach Ansicht des ID-Büros „haben diese Vorfälle dem Zusammenhalt und dem Ansehen der Fraktion geschadet“. In dem Antrag auf Ausschluß wurden die Namen aller neun AfD-EU-Abgeordneten, einschließlich Krah, aufgeführt.

Kurz nach 15 Uhr schrieb die ID-Fraktion auf X: „ID-Gruppe schließt AfD aus. Das Präsidium der Fraktion Identität und Demokratie im Europäischen Parlament hat heute beschlossen, die deutsche Delegation der AfD mit sofortiger Wirkung auszuschließen. Die ID-Fraktion will nicht länger mit den Vorfällen um Maximilian Krah, dem Chef der AfD-Liste zur EU-Wahl, in Verbindung gebracht werden.“ Mit vier Ja-, drei Nein-Stimmen und einer Enthaltung wurde der Antrag angenommen. Dafür stimmten der Rassemblement National, die Lega, die SPD und der Vlaams Belang. Die dänische Dansk Folkeparti hatte nicht abgestimmt, deren Enthaltung wurde aber mit Ja gewertet. Dagegen votierten die FPÖ, Ekre und AfD.

Jaak Madison: „Nicht die gesamte AfD-Delegation bestrafen“ 

„Ich habe für den Rauswurf von Krah gestimmt, da er in diesem Fall das Problem war und auch schon vorher bei verschiedenen Dingen wie der Rußland-China-Frage. Aber ich habe nicht dafür gestimmt, alle Deutschen zu bestrafen, weil die gesamte Delegation dem Ausschluß von Krah zugestimmt hat“, betonte Jaak Madison von der Ekre gegenüber dem Nachrichtenportal Politico. FPÖ-Politiker Harald Vilimsky sieht das im JF-Interview ebenso. Dagegen hielten sich die DF und der Vlaams Belang (VB) bedeckt. „Wir wollen vorläufig keine Stellungnahme dazu abgeben“, erklärte Tom Vandriessche gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.  

„Alle Delegationen wurden zu der von uns initiierten Entscheidung, die AfD-Delegation aus der ID-Gruppe auszuschließen, konsultiert“, betonte Jean-Paul Garraud (RN), Vorsitzender der französischen Delegation, gegenüber AFP im Anschluß. Er fügte hinzu: „Dies ist eine Reaktion auf die inakzeptablen Äußerungen ihres Spitzenkandidaten“, dessen „Äußerungen unserer Meinung nach die AfD verpflichten“.

Die Unstimmigkeiten zwischen dem RN und der AfD kamen aber nicht von ungefähr.  Nachdem der deutsche Recherchenetzwerk „Correctiv“ im Januar einen gegen die AfD gerichteten Artikel, in dem behauptet wurde, die Partei habe sich für die Remigration von nicht assimilierten deutschen Staatsbürgern ausgesprochen, was von der AfD dementiert wurde, veröffentlicht wurde, erklärte Marine Le Pen, Chefin der RN-Abgeordneten im französischen Parlament: „Bei derart großen Unterschieden“ müsse man „darüber nachdenken, ob man gemeinsam in einer Fraktion verbleiben“ könne.

Gegenüber der jungen freiheit beschwichtigte Jean-Paul Garraud am 5. März, daß es keinen „Streit“ gebe. „Es gibt offene und herzliche Diskussionen, die von einigen französischen Medien karikiert werden, um zu versuchen, unsere Fraktion wenige Monate vor den Wahlen zu destabilisieren, wahrscheinlich aus Angst vor den zu erwartenden guten Wahlergebnissen.“ Derzeit sei noch nichts entschieden. „Ich denke, daß die deutsche und die französische Presse allein in einem Tunnel von Interpretationen und Analysen, die weit von der Realität entfernt sind, unterwegs sind. Wir sind in Gesprächen mit der AfD, um sicherzustellen, daß wir auf derselben Wellenlänge sind.“

Dieselbe Wellenlänge gab es aber schon nicht mehr. Bereits im August 2023 zeigte sich der RN besorgt über die „Radikalisierung“ der AfD. Hatte Krah doch Eric Zemmour und nicht Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl 2022 unterstützt. Auch nachdem die AfD vor einem Monat die Zugehörigkeit der Insel Mayotte zu Frankreich infrage gestellt hatte, zeigte sich Le Pen „verärgert“. Entsprechend erklärte sie am vergangenen Woche gegenüber Journalisten: „Es war einfach nicht mehr möglich, mit der AfD weiterzumachen, und ab einem bestimmten Punkt, wenn es nicht mehr geht, muß man aufhören.“

Eher süffisant nahm die EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen die Unstimmigkeiten auf der rechten Seite aufs Korn und erklärte: „Wenn man sich das Rassemblement National in Frankreich, die AfD in Deutschland oder die Konfederacja in Polen ansieht, haben sie vielleicht unterschiedliche Namen und unterschiedliche Prinzipien, aber sie haben eines gemeinsam: Sie sind Freunde von Putin und wollen unsere EU zerstören. Das werden wir nicht zulassen.“