© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/24 / 31. Mai 2024

Dem Frieden (k)einen Schritt näher
Anerkennung Palästinas durch Spanien, Irland und Norwegen: Großbritannien und die USA sind nicht begeistert
Marc Zoellner

Die Ansage des israelischen Außenministers Israel Katz kam drastisch, aber nicht überraschend. „Ich habe beschlossen, die Verbindung zwischen der spanischen Vertretung in Israel und den Palästinensern abzubrechen“, twitterte der Likud-Politiker vergangene Woche Freitag, „und dem spanischen Konsulat in Jerusalem zu verbieten, Dienstleistungen für Palästinenser aus dem Westjordanland anzubieten.“ Tatsächlich war seine Aufregung begründet.

 Nur wenige Stunden zuvor hatte Yolanda Díaz, zweite Vizepräsidentin der spanischen Regierung und Abgeordnete der spanischen Linkspartei „Movimiente Sumar“, nicht nur die geplante Anerkennung eines palästinensischen Staats durch Spanien verkündet, sondern ebenso vor laufenden Kameras auf spanisch „Vom Fluß zum Meer – Palästina wird frei sein!“ skandiert. Diese Parole, in den 1960er Jahren von der „Palästinensischen Befreiungsorganisation“ (PLO) in Umlauf gebracht und seitdem auch von radikalislamischen Palästinensergruppen wie der „Hamas“ und dem „Islamischen Dschihad“ verwendet, gilt als Chiffre palästinensischer Terroristen und westlicher Linksextremisten, um zur Vernichtung des jüdischen Staates Israel aufzurufen. 

Der spanischen Politikerin warf Katz Antisemitismus vor und konstatierte: „Wenn diese ignorante, haßerfüllte Person verstehen will, was der radikale Islam wirklich anstrebt, sollte sie die 700 Jahre islamischer Herrschaft in Al-Andalus – dem heutigen Spanien – studieren.“

„Eine symbolische Aktion, die keine wirkliche Bedeutung hat“ 

Tatsächlich fühlte sich die israelische Regierung nicht nur von Madrid, sondern ebenso von den ähnlich lautenden Vorstößen zweier weiterer europäischer Staaten brüskiert. So hatte neben Spanien auch die sozialdemokratische Regierung Norwegens sowie das liberal-konservativ regierte Irland eine Anerkennung Palästinas noch in den kommenden Wochen bekanntgegeben – Norwegen immerhin als 144. UN-Mitglied, nachdem im April und Mai dieses Jahres bereits die vier Karibikstaaten Barbados, Jamaika, Trinidad und Tobago sowie die Bahamas selbigen Schritt vollzogen hatten. 

Letztere vier Länder unterhalten allerdings keine diplomatischen Beziehungen zum Staat Palästina; aus ersteren hingegen zog Israel seine Botschafter „zu Konsultationen nach Jerusalem“ ab. „Heute sende ich eine klare Botschaft an Irland und Norwegen“, begründete Katz seinen Entschluß zur Drosselung der bilateralen diplomatischen Beziehung. „Israel wird nicht mit Schweigen reagieren.“

Mit Unverständnis reagierte auch Norwegens Opposition. „Mit dieser symbolischen Aktion, die keine wirkliche Bedeutung hat, hat die Regierung die Rolle Norwegens als potentieller Friedensstifter in diesem Konflikt völlig untergraben“, gab Sylvi Listhaug, Parteivorsitzende der rechtskonservativen Fortschrittspartei (FrP) zu Protokoll. Listhaug spielte dabei auf den Oslo-Friedensprozeß an, zu welchem sich im Jahr 1993 Israel und die PLO erstmals zu direkten Gesprächen trafen, sich gegenseitig als Verhandlungsberechtigte anerkannten und die künftige Vorgehensweise zu einer Zweistaatenlösung berieten. Neben der „Christlichen Volkspartei“ (KrF) war die FrP die einzige Partei, die sich im November vergangenen Jahres im Storting, dem norwegischen Parlament, gegen eine vorzeitige Anerkennung Palästinas ohne eine vorherige Verhandlungslösung zwischen Palästina und Israel aussprach.

Der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Støre hatte Norwegens Entscheidung als eine Investition in die einzige Lösung, die einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten bringen könne, bezeichnet. „Und es gibt einen starken Aufruf an andere Länder dies zu tun: Palästina anzuerkennen – und damit sicherzustellen, daß der Prozeß zu einer Zweistaatenlösung wieder beginnen kann. Inmitten eines Krieges – mit Zehntausenden Toten und Verletzten – müssen wir das am Leben erhalten, was sowohl Israelis als auch Palästinenser ein sicheres Zuhause bieten kann: zwei Staaten, die in Frieden miteinander leben können“, frohlockte Støre.

Zuletzt bekräftigten erneut Großbritannien sowie die USA, ein Nahost-Konsens sei Bedingung für den Aufbau diplomatischer Beziehungen zu Palästina. Solange die Hamas im Gazastreifen an der Macht bleibe, betonte letzte Woche der britische Außenminister David Cameron, gebe es von London aus keine Anerkennung. 

Die Hamas und der Iran freuen sich über die Entscheidung 

Auch US-Präsident Joe Biden, der als Unterstützer einer Zweistaatenlösung gilt, wiederholte mit Blick auf die Ankündigung der drei europäischen Verbündeten: „Ein palästinensischer Staat sollte durch direkte Verhandlungen zwischen den Parteien verwirklicht werden, nicht durch einseitige Anerkennung.“ Bereits im Februar hatte US-Außenminister Anthony Blinken für einen „zeitgebundenen, unumkehrbaren Weg zu einem palästinensischen Staat“ plädiert, nachdem sich schon im November 2023 die europäischen Außenminister in Madrid mit ihren arabischen Amtskollegen zu Konsultationen getroffen hatten. 

Josep Borrell, Hoher Vertreter der EU für Außenpolitik, betonte damals: Eine Unterstützung der EU bedinge auch demokratische Wahlen in Palästina; nicht zuletzt damit die Palästinensische Autonomiebehörde „weitere Legitimität“ in ihrem Machtkampf mit der Hamas erlange.

Daß die erfolgte Anerkennung Palästinas auf Israels Kritik stößt, ist aus israelischer Sichtweise durchaus verständlich: Weniger geht es dabei um eine verstärkte zwischenstaatliche Kooperation, sondern vielmehr um die faktisch vollzogene Grenzziehung innerhalb Israels durch europäische Drittstaaten. Immerhin hatten diese den Staat Palästina in den Grenzen von 1967 anerkannt. Hierzu gehört auch der Osten der Stadt Jerusalem, welche beide Konfliktparteien als Hauptstadt für sich beanspruchen. Und auch der Zeitpunkt der Entscheidung Madrids, Oslos und Dublins schlägt den Israelis auf den Magen: „Nachdem die Terrororganisation Hamas das größte Massaker an Juden seit dem Holocaust verübt hat, deren Zeuge die ganze Welt war, entschieden sich diese Länder dafür, Hamas und Iran mit der Anerkennung eines palästinensischen Staates zu belohnen“, so Israels Außenminister Katz.