© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/24 / 31. Mai 2024

Wurst-Case der Woche
(K)eine Mogelpackung
Christian Vollradt

Es ist wohl eines der bekannteren Kuckuckszitate – also eines, das jemandem untergeschoben wird, obwohl er es nie gesagt oder geschrieben hat: „Gesetze sind wie Würste, man soll besser nicht dabeisein, wenn sie gemacht werden.“ Angeblich stammt es von Otto von Bismarck; belegbar ist dies hingegen nicht, auch wenn der Reichsgründer die darin mitschwingende Kritik an parlamentarischen Verfahren vielleicht teilte. Desungeachtet haben Gesetze und Würste zweifellos Berührungspunkte. Zumindest kann es dort, wo das Gesetz ausgelegt und Recht gesprochen wird, um die Wurst gehen. Buchstäblich. Wie vergangene Woche vor dem Oberverwaltungsgericht Münster. Dorthin war der Hersteller verschiedener Sorten von Schmierleberwurst gezogen, nachdem der nordrhein-westfälische Landesbetrieb Meß- und Eichwesen der Firma den Verkauf ihrer verpackten Leberwurst untersagt hatte. Bei einer Stichprobe im Jahr 2019 war den Kontrolleuren nämlich aufgefallen, daß statt der aufgedruckten „Nennfüllmenge von 130 Gramm“ etwa 2,3 bis 2,6 Gramm weniger in der Packung steckten. Der Grund: Der Fleischverarbeiter habe unzulässigerweise die nicht eßbare Wursthülle samt Verschlußclips zum streichbaren Inhalt hinzugerechnet. Für die Behörde ein Verstoß gegen die europäische Lebensmittelinformationsverordnung. Das sei aber jahrelange Praxis, meinte dagegen der Hersteller der zwar nicht beleidigten, wohl aber beanstandeten Leberwurst. Das Oberverwaltungsgericht sah das wie der Wurstproduzent und schmierte dem Eichamt unter anderem eine ältere nach wie vor geltende Richtlinie aufs Brot, wonach die Pelle – wie an der Fleischtheke – mitgewogen werden darf. Da trifft sich Wurst wieder mit Politik: Bei der muß schließlich auch immer mitbezahlt werden, was ungenießbar und eigentlich zum Wegwerfen ist.