© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/24 / 31. Mai 2024

Ländersache: Sachsen-Anhalt
Langfinger im Revier?
Peter Freitag

Daß etwas gestohlen wird, kommt – leider – immer wieder vor. Ärgerlich, aber irgendwie normal. Wenn aber etwas bei der Polizei gestohlen wird, dann hat es das Zeug zum Skandal. Erst recht, sollte es sich nicht um einen Einzelfall handeln. Jüngst sorgte im Land der Fall des Leiters eines Polizeireviers im Harz für Aufsehen. Die zuständige Inspektion in Magdeburg hatte den Beamten suspendiert. Auch wenn die „zwingenden dienstlichen Gründe“ nicht näher genannt wurden, nimmt man einen Zusammenhang mit jüngst bekanntgewordenen Mißständen in der Asservatenkammer der Behörde an. Außerdem war bei einem Polizisten des Reviers eine Granatenattrappe im Kofferraum gefunden worden, die eigentlich längst hätte vernichtet worden sein sollen.

Schon vor über zwei Jahren hatte der Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt in einem Prüfbericht erschreckende Zustände bei der Polizei des Landes moniert. Waffen und Munition lagerten unsortiert in Schränken, andere Asservate sogar teilweise in Duschen mit provisorischen Regalböden, in feuchten Kellerräumen oder ungesicherten Garagen, Drogen seien unzureichend verpackt gewesen. Die Deutsche Polizeigewerkschaft stellte sich vor die Beamten und bezeichnete die Mißtände als Folge der verordneten Sparpolitik. Probleme bei der Aufbewahrung seien absehbar gewesen, da Gewahrsamsräume fehlen. Bei der Untersuchung der Asservatenverwaltung der Polizei hatten die Prüfer beispielsweise ein Sturmgewehr gefunden, das jederzeit hätte unbemerkt verschwinden können, berichtete der MDR. Mittlerweile sei die Waffe vernichtet worden.

Wie das Magdeburger Innenministerium dem Sender mittteilte, habe man im Sommer vergangenen Jahres eine „Projektgruppe eingerichtet, um Qualitätsstandards zu erarbeiten und Prozeßabläufe zu optimieren“. Ziel sei es, einheitliche Regeln für die korrekte Behandlung und Verwahrung von Asservaten zu entwickeln. Erste Ergebnisse erwarte man Ende des Jahres. 

Ende April hatte die zuständige Ministerialbeamtin während einer Sitzung des Innenausschusses im Landtag einräumen müssen, daß wahrscheinlich in einem Zeitraum von drei bis vier Jahren 274 Waffen und waffenähnliche Gegenstände nicht wie staatsanwaltschaftlich angeordnet vernichtet worden sind. Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) versicherte daraufhin, man stecke bereits in der Aufarbeitung.

Ist der Harzer Sheriff also nur ein Bauernopfer? „Hintergrund des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte sind Vorwürfe, die unberechtigterweise erhoben worden sind“, meinte jedenfalls der Rechtsanwalt des geschaßten Polizeidirektors gegenüber der Magdeburger Volksstimme. Mit der vorübergehenden Leitung seiner Dienststelle wurde mittlerweile der Polizeichef des benachbarten Salzlandkreises betraut. Kurios: In dessen Zuständigkeitsbereich waren rund 13.000 Euro spurlos aus einem Stahlschrank verschwunden. Ein Täter konnte bisher nicht ermittelt werden. Es habe „mehrere Schlüsselberechtigte“ gegeben. Ein Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft im Januar ein.