© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/24 / 31. Mai 2024

Sylt-Video und die Folgen
Die brutale Doppelmoral
Henning Hoffgaard

In der vergangenen Woche feierte die politische High Society zwischen Insektenverkostung und hochnotpeinlichen Gesangseinlagen das 75jährige Bestehen des Grundgesetzes. Es wurde viel über die „Würde des Menschen“ und deren Unantastbarkeit gesprochen. Dann machte das Video einiger Jungschnösel auf Sylt die Runde, die während einer feuchtfröhlichen Feier zu einem Partylied geschmacklos „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen“ gerufen hatten. Seit Tagen sorgt es für erhebliches Aufsehen und immer neue Empörungsschleifen. Die Zeichen stehen auf Staatskrise; das Fachkommissariat für Staatsschutz der Polizei hat Ermittlungen gegen die inzwischen identifizierten Partygänger aufgenommen.

Dabei wurde die Debatte um Sylt von Anfang an nicht mit Maß geführt. Wie sollte sie auch? Wenn sich Kanzler Scholz, Innenministerin Faeser und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, auf dem Papier immerhin Nummer zwei im Staate, dazu vorverurteilend äußern, ist die Messe bereits gesungen. Es fehlt eigentlich nur noch, daß Deutschland den UN-Weltsicherheitsrat einschaltet. Warum Sylt nicht bombardieren und die Sylt-Mitgröler deportieren? Drei Klicks in den sozialen Netzwerken, und genau das ist dann schon Thema in den linken Filterblasen. Natürlich muß die Demokratie nicht vor besoffenen, grölenden Partygästen gerettet werden. Sie funktioniert einwandfrei. Gerettet werden muß sie aber vor Politikern, die sich in ihrer digitalen Menschenjagd überbieten und selbst daran ergötzen