© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/24 / 24. Mai 2024

Der Flaneur
Wieviel Nachwuchs?
Gil Barkei

Erst kürzlich habe ich wieder einen ÖRR-Bericht über das Kinderkriegen ja oder nein gesehen. Darf man angesichts von angeblicher Überbevölkerung und Klimakrise überhaupt noch Nachwuchs bekommen? Und was ist mit den persönlichen Freiheiten? Seit Jahren schwirren immer wieder Damen und Herren durch ARD und ZDF, die sich bewußt gegen Kinder und teilweise sogar für eine Sterilisation entschieden haben. Und diese Art von Berichterstattung scheint zu fruchten.

Ich muß daran denken, während ich mit alten Kameraden und Freunden aufs Mittelmeer blicke. 20 Jahre Dienstzeitende beim Bund in Verbindung mit einem Junggesellenabschied. Fünf Männer, alle Väter und berufstätig, vom Arbeiter bis zum Akademiker. Insgesamt repräsentieren wir neun Kinder daheim. Okay, nicht ansatzweise die Quote der Großeltern, die so viele Geschwister hatten, aber immerhin. 

Die Zehner-Truppe auf dem Foto steht für nur ein Kind daheim. Woran liegt das?

Eben war ein Foto von einer guten Freundin per WhatsApp eingetrudelt, die ebenfalls das Wochenende mit Freunden in den Süden gefahren ist. Wir wollten uns Grüße von den ersten sommerlichen Sonnenstrahlen schicken. Ihren Freundeskreis auf dem Gruppenfoto kenne ich ebenfalls, und so kann ich auch da meine Rechnung anstellen. 

Meine Freundin ist tatsächlich die einzige auf dem Bild mit Kind. Ihre Truppe umfaßt zehn Personen, trotzdem stehen sie also insgesamt lediglich für ein Kind. Woran liegt das? Ich erkenne das schwule Pärchen, gegenüber die Frischgetrennte. Daneben die Frau, die momentan eine bi- bis homosexuelle Phase testet. Es folgen der überzeugte gut verdienende Junggeselle, das Pärchen, das sich berufs- und reisebedingt noch Zeit läßt und die Mädels, die oft ihr Leid klagen von den vergeblichen Dates über alle möglichen Apps. Selbst die mitgereiste Türkin findet hin und her gerissen zwischen moderner deutscher Gesellschaft und traditioneller Familie einfach nicht den „Mister Right“.

Einer meiner Kumpels steht auf und holt eine neue Runde Bier. Er will „heute nochmal richtig Gas geben“. Morgen wartet wieder Büro-, Kita- und Familienalltag. Es geht eben doch beides, allerdings nicht beides gleichzeitig.


Die Existenz des Schachspiels wird allein durch die Existenz von Fehlern gerechtfertigt. 

Savielly Tartakower (1887–1956), Schachspieler und Autor