© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/24 / 24. Mai 2024

Krieg in der Wüste
Kino: Die fünfte Episode der „Mad Max“-Saga bietet Zuschauern erneut vor allem eine postapokalyptische Gewaltorgie
Dietmar Mehrens

Bis Mel Gibson mit „Braveheart“ (1995) und „Die Passion Christi“ (2004) zur Regie-Legende wurde, war es ein langer Weg, der als Schauspieler in wüsten australischen Endzeitdramen begann, nämlich in den drei Filmen der „Mad Max“-Reihe (1979, 1981, 1985). Schon damals waren die Science-fiction-Märchen nichts für zarte Gemüter. Unmenschliche Grausamkeiten gehören zu dem eschatologischen Kräftemessen barbarischer Banden in der Einöde Australiens ebenso wie extravagante PS-Schleudern, schlechte Zähne und miserable Manieren.

Nachdem das im Grunde für eine Inhaltsangabe der bislang letzten Ausgabe der Kinoreihe, „Mad Max: Fury Road“ (2015), schon reichte, mit der Mel Gibson inzwischen übrigens nichts mehr zu tun hat, gab sich Regisseur George Miller, der auch alle früheren Teile inszenierte, diesmal etwas mehr Mühe, den Zuschauern eine epische Geschichte zu erzählen und nicht nur Kraftfahrzeuge zu Schrott zu fahren. Dazu unterteilt er sie in verschiedene Kapitel mit jeweils eigenem (Action-)Schwerpunkt. Nebenbei geht es auch darum, die Ursprünge der im Vorgänger „Straße des Zorns“ von Charlize Theron gespielten Protagonistin zu enthüllen.

Verblüffende visuelle Effekte, aber wenig Hirn

Miller läßt den fünften Teil, „Furiosa: A Mad Max Saga“, beginnen mit einem kurzen Resümee der Klima- und auch sonstigen Katastrophe, die dazu führte, daß die Erde auf einmal wieder wüst und leer ist und wie zu Zeiten Noahs dominiert von Barbaren. „Da die Welt um uns herum untergeht, wie sollen wir ihren Grausamkeiten trotzen?“, lauten die Worte eines Sehers, der die Apokalypse kommentiert und damit dem ganzen Film zugleich eine Art Motto voranstellt. In der einzigen Szene, die nicht in der im englischen Original „Wasteland“ genannten Wüste spielt, lernt der Zuschauer nach dieser kurzen Hinführung die kleine Furiosa kennen, zu deutsch: „die Wütende“. Miller zeigt das später als Erwachsene von Anya Taylor-Joy („Emma“, „Das Damengambit“) gespielte Mädchen am Anfang seines Zweieinhalbstunden-Opus als durchtriebenes kleines Luder, das Benzinleitungen von Motorrädern durchbeißt. Und damit nimmt das Unheil seinen Lauf: Zur Strafe wird Furiosa einfach über den Sattel eines der Endzeitrocker mit den gruseligen Totenkopfmasken gelegt und entführt. Ihre mutige Mutter (Charlee Fraser) folgt den Entführern und stößt auf den zwielichtigen Dementus (Chris Hemsworth), der sich als Prophet einer postapokalyptischen Rockersekte inszeniert und gern wie Ben Hur in einem Streitwagen fortbewegt. Dementus, das heißt soviel wie „kaputter Geist“, und das trifft’s.

Beim Kräftemessen zwischen Dementus und Furiosas Mutter kommt diese auf grausame Weise ums Leben. Furiosa wird zum Maskottchen der Bande. Bei ihrem Streifzug durch das Ödland stoßen der falsche Prophet und seine schweren Jungs auf die „Zitadelle“, eine Felsenkolonie, die vom Immortan Joe (Lachy Hulme) beherrscht wird. Die Wüste bebt, als zwischen ihm und Dementus ein Machtkampf entbrennt. Furiosa gelingt es, in der Zitadelle unterzutauchen. Sie wächst heran und entwickelt sich zu einer ebenso geschickten wie unerbittlichen Kämpferin.

Zwei Industriefestungen, die eine zur Erzeugung des Benzins, ohne das hier nichts läuft, die andere zur Herstellung von Munition, ohne die hier nicht ständig herumgeballert werden könnte, dienen Miller als weitere Schauplätze im 40tägigen Ödlandkrieg, den er schließlich ausbrechen läßt, um es ordentlich krachen zu lassen. Leider kommt dabei der ursprüngliche Ansatz, uns die Entwicklungsgeschichte einer jungen Frau zu erzählen, die durch die Härten des Schicksals zu einem besonderen Menschen wird, weitgehend unter die Räder. Und auch die vielen anderen Figuren sind wenig mehr als Stichwortgeber für krachende Konflikte. Statt geistiger Begabungen darf Furiosa beim Angriff auf einen Gemüselaster ihr ganzes kriegerisches Geschick unter Beweis stellen und findet dabei einen neuen Verbündeten. Doch ihr Schicksal ist auf Gedeih und Verderb mit dem von Dementus verbunden, dem sie schließlich, herangereift zum fünften Reiter der Apokalypse, wiederbegegnen wird.

Blechlawinen und Waffenschmieden, Flammenspritzen und heiße Kisten beherrschen das Bild in diesem furiosen Action-Spektakel, das zwar jede Menge verblüffender visueller Effekte zu bieten hat, aber wenig Hirn. So lobenswert Millers Versuch ist, dem Endzeitdrama epische Wucht zu verleihen, so wenig verhilft das am Ende doch demjenigen, dem die „Mad Max“-Reihe immer schon zu laut, zu brutal, zu hysterisch und zu schrottig war, zu einem Grund, seine Meinung über die postapokalyptische Gewaltorgie zu ändern.

Kinostart ist am 23. Mai 2024 Foto: Furiosa (Anya Taylor-Joy): Unerbittliche Kämpferin gegen Endzeit-Rocker