BERLIN. Das Haus der Kulturen der Welt (HKW) in Berlin hat Kritik an der Art der Vergabe seines Literaturpreises erneut zurückgewiesen. Es sei nicht wahr, daß Autoren wegen ihrer Hautfarbe in die Shortlist gewählt worden seien, erklärte das HKW am Dienstag dieser Woche in einer Aussendung. Grund für die Nominierung jedes Titels sei ihre „außergewöhnliche literarische Qualität“ und die „überragende Übersetzungsleistung“ gewesen. Zum Hintergrund: Zwei ehemalige Jurorinnen des Internationalen Literaturpreises Berlin haben in einem Zeitungsartikel antiweißen Rassismus bei der Preisverleihung 2023 beklagt. „Es ging um Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, um Politik und nicht um Literatur“, schreiben Juliane Liebert und Ronya Othmann in einem Beitrag für Die Zeit. Konkret berichten die beiden ehemaligen Preisrichterinnen von mehreren rassistischen und sexistischen Äußerungen und Entscheidungen innerhalb der Jury. So sei Liebert von einer anderen Jurorin mit den Worten „Du als weiße Frau hast hier eh nichts zu sagen!“ beleidigt worden. Bei der Wahl der Shortlist hätte sich die Mehrzahl der Jurymitglieder gegen die Autoren Mariette Navarro und Peter Nadas ausgesprochen, weil Navarro eine „weiße Französin“ ist und Nadas ein „weißer Mann und privilegierter weißer Autor“. Die literarische Qualität habe bei der Entscheidung keine Rolle gespielt. Vielmehr soll ein Juror betont haben: „Sorry, ich liebe Literatur, aber Politik ist wichtiger.“ Auch der Sieger Mohamed Mbougar Sarr habe den Preis aus rassistischen Gründen erhalten. Sein Roman „Die geheimste Erinnerung der Menschen“ sei zwar aus literarischer Sicht ein verdienter Gewinner, schreiben Liebert und Othmann. Die Jury habe sich jedoch primär für Sarr entschieden, weil er schwarz ist und obwohl seine beiden Übersetzer weiß sind. Weiße Menschen könnten generell keine schwarzen Autoren übersetzen, hieß es innerhalb der Jury, die Sarr am Ende trotz dieser Bedenken zum Preisträger kürte. Vergeben wird die mit 35.000 Euro dotierte Auszeichnung vom Haus der Kulturen der Welt und der Stiftung Elementarteilchen. Laut Liebert und Othmann nahmen mehrere HKW-Mitarbeiter an der Sitzung zur Wahl der Shortlist teil. Zudem hätten sie ihre Kritik auch gegenüber der HKW-Spitze um Intendant Bonaventure Soh Bejeng Ndikung vorgebracht, berichten die beiden ehemaligen Jurorinnen. Anders als die Mehrzahl ihrer damaligen Kollegen wurden sie in diesem Jahr nicht wieder in die Jury berufen. Die Vorsitzende des HKW-Aufsichtsrats, Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), äußerte sich auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT ebenso wie die übrigen Jurymitglieder nicht zu den Vorwürfen. Das Haus der Kulturen der Welt hatte die Berichterstattung in der Zeit bereits kurz nach Erscheinen grundsätzlich zurückgewiesen. (dh/tha)
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