© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/24 / 24. Mai 2024

Deutsche Bank: 1,3-Milliarden-Rückstellung wegen Postbank-Klage
Ein Schock für Anleger
Thomas Kirchner

Zoff gab es auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank am 16. Mai nicht, denn der Vorstand hatte durch eine virtuelle Veranstaltung den direkten Anlegerkontakt vermieden. Die Bombe schlug erst am Tag danach ein: 1,3 Milliarden zusätzliche Rückstellungen für Altlasten aus der Postbank-Übernahme. Der Streit mit den Minderheitsaktionären läuft seit 2010, doch erst nach einer schlecht verlaufenen mündlichen Verhandlung vor dem OLG Köln raffte sich die Bank endlich dazu auf, die potentiellen Verbindlichkeiten in der Bilanz anzuerkennen. Daß die Verhandlung am Tag nach der Hauptversammlung stattfand, war Pech.

Daß prakatisch ein Quartalsgewinn am Tag nach der Hauptversammlung zurückgestellt werden muß, ist eine Ohrfeige für die Anleger. Denn das Risiko lag nie bei null, Nachbesserungen sind eine Konstante bei Übernahmen in Deutschland. Entsprechend einer Risikoabwägung hätten bei konservativer Bilanzierung schon Teilrückstellungen gebildet werden müssen – wie Bayer dies schließlich für seine Glyphosat-Risiken auch tut. Ein Urteil steht am 21. August an. Finanzchef James von Moltke muß erklären, warum die Rückstellung die Eigenkapitalquote nur um 0,2 Prozent reduzieren soll, wo doch die Analysten von JPMorgan Chase mit 0,37 Prozent fast die doppelte Auswirkung errechnen. Die Schockmeldung wirft einen Schatten auf die Wiederbelebung der Bank nach Jahren der Skandale. 900 Millionen an Dividenden machen 45 Cent pro Aktie für 2025, die Hälfte mehr als die am 22. Mai gezahlten 30 Cent, dazu 675 Millionen für den Aktienrückkauf bis Ende Juli – nur vor 2015 gab es höhere Ausschüttungen.

Die Hälfte der Gewinne wird ausgeschüttet, eine branchenübliche Größenordnung. JPMorgan Chase sieht die Dividenden noch stärker steigen als der Vorstand: auf einen Euro für 2026. Bei einem Kurs von fast 16 Euro entspräche das einer Dividendenrendite von sechs Prozent. Da die Aktie noch bei der Hälfte des Buchwerts notiert, wäre ein höherer Aktienrückkauf angebracht. Die Deutsche Bank ist ähnlich billig wie Barclays oder Citigroup, die alle deutlich von den erfolgreichen Größen UBS oder Royal Bank of Canada abgehängt werden, von den US-Giganten ganz zu schweigen, die mit dem 1,5- bis Zweifachen des Buchwerts notieren. Für die Deutsche Bank würde eine solche Bewertung einem Kurs von 60 Euro entsprechen. Um das zu erreichen, fehlt es noch an der Gewinnqualität.

Die angestrebte Eigenkapitalrendite im zweistelligen Bereich wurde erneut verfehlt. Je nach Berechnungsmethode liegt sie im Rahmen von fünf bis 7,3 Prozent. Weitere Kosteneinsparungen und Wachstum der Einnahmen können die Bank dem Ziel näher bringen. Kosten konnten auf fünf Milliarden Euro pro Quartal gehalten werden und sollen das Jahr über so bleiben. Zuletzt kam Wachstum aus der Investmentbank, während das klassische Bankgeschäft mit Unternehmenskrediten und Privatkunden rückläufig war. Erfreulich ist, daß jede Sparte Gewinne schreibt. Unterm Strich sieht es also nach einer erfolgreichen Sanierung der Bank unter Christian Sewing aus. Weitere Fortschritte werden eine höhere Bewertung an der Börse rechtfertigen. Bleibt die Frage: Was tut Sigmar Gabriel denn so im Aufsichtsrat? Als SPD-Chef pöbelte er noch laut gegen Banken. Bei einer Vergütung von 258.334 Euro im letzten Jahr hat er jetzt die Chance, zu beweisen, daß er diese Entlohnung verdient, indem er nun dem Vorstand zu den Rückstellungen die Leviten liest.