© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/24 / 24. Mai 2024

Wer das Land regiert, steht noch in den Sternen
Niederlande: Nach der Einigung auf eine Rechtsregierung feilschen Rechte, Liberale, Konservative und Bauern um ein Regierungskabinett
Anna Kalb

Die niederländische Kronprinzessin Amalia hat beschlossen, ihre jährliche Apanage in Höhe von 1,5 Millionen Euro künftig lieber zu behalten. Solange Mark Rutte Ministerpräsident war, hatte sie diese immer zurückgegeben. Doch nun kommt die erste rechte Regierung, und wer weiß, ob deren Sparabsichten nicht auch die Mittel für die Prinzessin zum Opfer fallen. 

Sechs Monate haben Geert Wilders PVV, BBB, NSC und VVD mühselig verhandelt, nun steht die Koalitionsvereinbarung „Hoffnung, Mut und Stolz“. Das Asylrecht soll drastisch verschärft werden, gegen gewalttätige Migranten soll robust aufgetreten werden. Selbst ein Opt-out wie in Dänemark will die Koalition nicht mehr ausschließen. 

Die Bestandssicherheit des demokratischen Rechtsstaats ließ Pieter Omtzigt (NSC), dessen Starrsinn während der Koalitionsverhandlungen oft als Zumutung empfunden wurde, in den Koalitionsvertrag schreiben. Für weniger Reglementierung und bessere Staatsfinanzen wollen die Liberalen der VVD, für den Schutz der Landwirtschaft Caroline van der Plas’ Bauernpartei BBB sorgen. Darüber hinaus soll der Bau von Sozialwohnungen vorangetrieben werden. Verpflichtenden Wärmepumpen und Klimaschutz hat die kommende Koalition eine Absage erteilt, beides gibt es nur noch auf freiwilliger Basis. 

Wilders’ Kandidat Ronald Plasterk gab seinen Rückzug bekannt

Was den Niederländern jetzt noch fehlt, ist eine Regierung, die dieses Programm auch umsetzen möchte. Es herrschte seit Beginn der Verhandlungen Einigkeit darüber, daß Parlamentsmehrheit und Regierung strikt getrennt werden sollen, ein ganz neues Politikmodell, von dem noch keiner sagen kann, ob es auch funktionieren wird. Eine „Regierungsbildung mit einer tickenden Zeitbombe“ sei das – ehrlich gesagt geht niemand davon aus, daß diese Konstruktion bis zum Ende der Legislaturperiode halten wird. Ein außerparlamentarisches Kabinett, wie jetzt geplant, ist eine äußerst wacklige und bislang auch nicht erprobte Konstellation.

Seit Wochen geistern Namen durch die Medien, wer der Regierung denn nun angehören soll. Fraktions- und Parteivorsitzende sind per se ausgeschlossen. Der nach langem Ringen gefundene Ministerpräsident Ronald Plasterk (PvdA), mit Wilders persönlich gut befreundet, hat Anfang dieser Woche, nach Streitigkeiten über eine mögliche Dienstwagenaffäre mit Omtzigt, eine Absage erteilt. „Ich habe großen Respekt vor Dir, Ronald. Das hast Du nicht verdient, aber ich verstehe Deine Entscheidung. Für mich wärst Du ein ausgezeichneter Ministerpräsident gewesen“, schrieb Wilders auf X. Auch der ehemalige Innenminister, der auch die Verhandlungen zur Koalitionsbildung geleitet hat, erklärte überraschend, nicht mehr zur Verfügung zu stehen: Ungeklärte Vorwürfe, durch einen Patentraub eines von ihm mitentwickelten Medikaments habe er Millionen verdient, stehen im Raum.

Nun ist Wilders, der mit seiner PVV deutlicher Wahlsieger war, wieder am Zug. Mit Richard van Zwol (CDA) und Elbert Dijkgraaf (SGP) hat er zwei neue Mehrheitsbeschaffer einbestellt. Innerhalb von vier Wochen soll es nun gelingen, ein Kabinett zusammenzustellen. Für die Niederlande drängt die Zeit: Der Einfluß innerhalb der EU steht auf dem Spiel, sollte es nicht gelingen, bis zur EU-Wahl eine belastbare Regierung zu finden.