Das große Transportflugzeug stand, als sei es vergessen worden, mitten im Wasser auf der Landebahn des Flughafens von Porto Alegre, der Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaats Rio Grande do Sul. Die braunen Fluten reichten bis an den Rumpf des Fliegers. Dieses symbolhafte Bild wird mir für immer haften bleiben und mich an die verheerenden Überschwemmungen erinnern, die den äußersten Süden Brasiliens im Mai straften.
Mit 283.000 Quadratkilometern übertrifft Rio Grande do Sul die Fläche der alten Bundesrepublik Deutschland. 80 Prozent der municípios (entspricht deutschen Landkreisen) wurden in irgendeiner Weise von den Überschwemmungen betroffen. Von den über elf Millionen Einwohnern sind 1,8 Millionen Opfer der Umweltkatastrophe.
Die Ursache einer, wenn nicht der größten Naturkatastrophe in der brasilianischen Geschichte liegt weniger im „menschengemachten Klimawandel“ als vielmehr in einer Verkettung unglücklicher Umstände. Das betroffene Gebiet ist weitgehend flach. Fünf Flüsse strömen aus mehreren Himmelsrichtungen kommend in einen einzigen Fluß namens Rio Guaíba, der eher an einen See als an ein fließendes Gewässer erinnert. Dieser wiederum mündet in eine der größten Lagunen der Welt, den 10.145 Quadratkilometer großen Lagoa dos Patos. Diese ihrerseits entwässert über eine sehr schmale Engstelle in den Südatlantik.
Die Ursache der größten Naturkatastrophe liegt weit weniger am „menschengemachten Klimawandel“.
Und hier entstand eines der Probleme. Auflandiger Wind verhinderte, daß die Wassermassen zügig ins Meer strömen konnten. Gleichzeitig sorgte das seit langem bekannte Klimaphänomen El Niño für schwere und anhaltende Regenfälle. Zusammen mit dem niedrigen Gefälle der Gewässer führte dies dazu, daß sich die Wassermassen aufstauten und es zu riesigen Überschwemmungen kam. Die Zahl der Todesopfer lag zuletzt bei 151 Personen, eine Zahl, die angesichts des Ausmaßes der Katastrophe überraschend niedrig wirkt. Aber diesbezüglich geriet die geographische Lage den Menschen zum Vorteil. Wo es kaum Anhöhen, Hügel und Berge gibt, ist die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Erdrutsches zu werden, ziemlich gering. Und die meisten Todesopfer bei Flutkatastrophen entstehen nicht durch Ertrinken, sondern dadurch, daß die Menschen unter Schlammmassen begraben werden. Wenn das Wasser langsam ansteigt, bleibt für die meisten genügend Zeit, um sich noch in Sicherheit zu bringen.
Allerdings sind die materiellen Schäden astronomisch. Unterbrochene Verkehrsverbindungen, zerstörte Häuser, ruiniertes Mobiliar, ertrunkene Nutztiere und unter Wasser und Schlamm begrabene Anbaugebiete für Reis, Mais, Soja und andere lebenswichtige Agrarprodukte. Diese Auswirkungen werden noch lange in ganz Brasilien zu spüren sein.