© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/24 / 24. Mai 2024

Ländersache: Thüringen
Eine Alternative kommt selten allein
Gregor Hierholzer

Die Kommunalwahl am Sonntag könnte in Thüringen ein Stimmungstest zwei Wochen vor der Europawahl sein. Und dennoch gelten bei Kommunalwahlen andere Regeln, denn meist kennen die Wähler die Kandidaten aus ihrem Umfeld, das persönliche Vertrauen spielt eine gewichtige Rolle neben der Präferenz für eine Partei – denn bei der Wahl der Gemeinderäte und Kreistage ist beides möglich: Kreuze für einzelne Kandidaten oder für eine Partei beziehungsweise Liste.

An diesem Punkt hält die Wahl durchaus Kurioses bereit. Ginge es beispielsweise nach AfD-Landeschef Björn Höcke, sollte im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt die auf dem Wahlschein auf Listenplatz 2 aufgeführte AfD unter der Führung des Landtagsabgeordneten Karlheinz Frosch zur Kreistagswahl keine einzige Stimme erhalten. Nein, AfD-Chef Höcke wirbt aktiv für die erst auf Listenplatz 8 aufgeführte „Alternative für den Landkreis Saalfeld-Rudolstadt“. In diesem Landkreis konkurriert die AfD also gegen sich selbst – was nur aufgrund einer selbstständigen Listenbezeichnung rechtlich zulässig ist. Die Alternative zur Alternative dürfte so manchen Wähler allerdings verwirren.

Hintergrund ist ein seit Monaten anhaltender parteiinterner Konkurrenzkampf, der an häßlichen Spitzen nichts zu wünschen übrig läßt. Auslöser war die im Sommer 2023 aufkeimende Sorge Höckes, er könne aufgrund der vielen Direktmandate seiner AfD bei der kommenden Landtagswahl über Listenplatz 1 am Ende gar nicht in den Landtag einziehen. Im katholischen Eichsfeld war er als Direktkandidat dem Mitbewerber von der CDU stets unterlegen. Der Wahlkreis Saalfeld-Rudolstadt I gilt hingegen als sicher für AfD-Direktkandidaten. Karlheinz Frosch hatte hier das Mandat geholt. Höcke soll Interesse an dem Wahlkreis bekundet haben. Frosch hingegen demonstrierte bei der Aufstellung der Listen für die Kommunalwahlen, daß die Partei zumindest hier ihm folgt. Höcke nahestehende Kandidaten fielen sämtlich durch.

Höcke kandidiert zur Landtagswahl nun zwar im Wahlkreis Greiz II direkt – aber zumindest in Saalfeld-Rudolstadt schlagen innerparteilich die Uhren lange nicht in seinem Sinne. Inzwischen soll das Höcke-Lager um Thomas Benninghaus zwar im Gebietsverband Saalfeld-Rudolstadt wieder das Sagen haben – doch die AfD-Liste zur Kreistagswahl steht. Und Frosch hat sie in drei Prozessen vor dem Landgericht Gera erfolgreich verteidigt. Kurz vor Fristablauf stellten seine innerparteilichen Gegner eine eigene Liste – nur eben unter anderem Namen – auf, die mit 38 Kandidaten weitaus länger als die der „offiziellen“ AfD ist, die nur sieben Kandidaten aufbietet.

Björn Höcke warb am 1. Mai erstmals für die alternative Alternative – und damit gegen seine eigene Partei. Das Tischtuch ist zerschnitten. Der AfD-Landesvorstand hat ein Ausschlußverfahren gegen die Listenkandidaten der AfD eingeleitet. Gegen Frosch unter anderem auch, weil er die AfD-Liste prozessual verteidigt hat. Wie die Wähler die öffentliche Schlammschlacht bewerten, und ob sie in Saalfeld-Rudolstadt die AfD oder die andere Alternative wählen, wird sich am kommenden Sonntagabend offenbaren.