© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/24 / 24. Mai 2024

Der NRW-Sumpf
Illegale Migration, Parteispenden und verhaftete Politiker von CDU und SPD
Frank Hauke

Eigentlich verfügt der Fall über alle Reizworte, die große Schlagzeilen machen müßten: Schleuserbande, Großrazzia, festgenommene CDU- und SPD-Leute, Bestechungen und eine Parteispendenaffäre. Doch der Skandal um korrupte Politiker aus Nordrhein-Westfalen fliegt seit mehr als einem Monat weit unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung.

Zu sehr sind die tonangebenden Medien mit vermeintlichen und tatsächlichen AfD-Affären beschäftigt. Zuletzt war sogar die aus öffentlich unbekannten Gründen erfolgte Aufhebung der Immunität des Hinterbänklers und Vorsitzenden der Jungen Alternative, Hannes Gnauck, wichtiger als die Affäre aus dem größten deutschen Bundesland, die immer weitere Kreise zieht.

Spätestens als die CDU einräumen mußte, daß mit Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul eine bundesweit bekannte Persönlichkeit in den Spendenskandal verwickelt ist, hätte man annehmen können, daß das Thema große Wellen schlägt. Aber Fehlanzeige. Der „Schwarze Sheriff“ hatte 2022 knapp 28.000 Euro direkt vom Hauptbeschuldigten des Schleuser-Netzwerkes in seinen Wahlkampf gesteckt.

Doch der Reihe nach, denn die Geschichte beginnt am 17. April. An diesem Tag hatten rund tausend Einsatzkräfte 217 Wohn- und Geschäftsräume in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern durchsucht. Es ging um eine Schleuserbande, die viele reiche Chinesen und wenige Araber gegen viel Geld nach Deutschland geholt und ihnen entsprechende Aufenthaltstitel verschafft hatte. Bei den Drahtziehern, zwei Anwälten aus dem Raum Köln, fand man 1,2 Millionen Euro in bar. Das produzierte noch Schlagzeilen.

Als dann herauskam, daß die Schleuser einen anderen Teil ihres wahrscheinlich von den Ausländern ergatterten Vermögens bereits ausgegeben hatten – und zwar unter anderem für Bestechungsgelder an Politiker von CDU und SPD sowie für Spenden an diverse Gliederungen der NRW-CDU – ließ das Rauschen im Blätterwald mit einem Mal nach. Zur Klarstellung: Ein früherer SPD-Geschäftsführer sitzt in U-Haft, weil er laut Staatsanwaltschaft 300.000 Euro erhalten habe, um seinen Einfluß auf Ausländerbehörden geltend zu machen. Und einen ehemaligen, langjährigen CDU-Landrat nahmen die Beamten wegen ähnlicher Vorwürfe fest.

Nordrhein-Westfalens Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) betonte sofort, es gelte die Unschuldsvermutung für die Beschuldigten. Genau wie Politiker anderer Parteien – mit Ausnahme denen der AfD – zeigte er sich handzahm. Das sonst übliche politische Ausschlachten der Affäre bleibt aus – dabei sind Verhaftungen von Politikern nun wirklich selten genug und bieten beste Anlässe, um der Konkurrenz kräftig vors Schienenbein zu treten.

Limbach, einer der Grünen-Politiker im Kabinett von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), sieht sich seit Monaten Vetternwirtschafts-Vorwürfen bei der Besetzung eines wichtigen Richteramtes ausgesetzt. Trotz aller belastenden Hinweise kann er sich weiter im Amt halten. Geht es beim Schleuser-Spenden-Skandal womöglich nach dem Motto zu, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus?

Auffällig ist auch, daß nicht einmal die Nationalität der illegal Eingewanderten öffentlich aufhorchen ließ. Denn der Beginn der Ermittlungen fiel in eine Zeit, da die Verfassungsschützer einige Spione aus China hochgehen und sich dafür loben ließen. Gleichzeitig wurde nun allseits vor Schnüfflern aus der kommunistischen Diktatur gewarnt. Wochenlange Schlagzeilen titelte man dabei über Jian G., den Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah. Jenen ließ der Verfassungsschutz trotz jahrelanger Kenntnisse seiner mutmaßlichen Agententätigkeit erst im Wahlkampf über die Bundesanwaltschaft hopsnehmen.

Ist es so unwahrscheinlich, daß unter den für viel Geld eingeschleusten insgesamt 350 Chinesen auch Menschen sind, die einen Auftrag des Regimes erfüllen sollen? Warum überhaupt wollen wohlhabende Menschen aus dem blühenden Reich der Mitte nach Deutschland? Wären sie politisch verfolgt und noch nicht im Gefängnis, könnten sie sich auch einen Flug hierher leisten und dann schlicht Asyl beantragen. Wie leicht das in der Bundesrepublik geht, wie gut man dabei versorgt wird und praktisch nie wieder ausreisen muß, dürfte sich auch bis nach Peking herumgesprochen haben.

Im Hintergrund spielt bei der merkwürdig leisen Reaktion möglicherweise auch die Migrationspolitik eine Rolle. Seit 2015 stehen für Ausländer alle Tore offen. Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird dafür bis heute mit Preisen überhäuft. Neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) verliehen vor nicht langer Zeit auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und eben jener Hendrik Wüst der Altkanzlerin höchste Orden.

Migranten ins Land zu holen gilt in den tonangebenden Milieus weiter als etwas Mutiges und Gutes. Wenn dafür nun ein paar Politiker Bestechungsgelder, die CDU satte Spenden kassiert und ein prominenter Landesinnenminister diese in seinen Wahlkampf investiert, kann das doch moralisch gar nicht wirklich verwerflich sein. Oder?

Wir haben uns daran gewöhnt, daß kaum noch ein Skandal zu Konsequenzen führt. Egal ob nun des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck kürzlich aufgedeckte Lügen rund um den Atomausstieg. Oder die Cum-Ex-Affäre des heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD). Oder die RKI-Protokolle, die zeigen, wie die Bundesregierung um Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und die Ministerpräsidenten den Menschen ohne wissenschaftliche Begründung die Grundrechte entzog. Oder die vom Volk vor fünf Jahren erfolgte Abwahl der links-rot-grünen Regierung in Thüringen. 

Es geht immer alles weiter wie bisher. Politischer Anstand war zu keiner Zeit weit verbreitet. Aber auf einem solchen Tiefstand wie heute befand er sich nie. Immerhin reicht es dann noch zum „Aufstand der Anständigen“, zu dem die Unanständigen aufrufen – ohne dabei irgendeine Groteske zu erkennen. Und sie können sich sicher sein, daß sie damit tatsächlich Schlagzeilen machen – und zwar positive.