Der Antrag des Den Haager Anklägers auf Haftbefehl sowohl gegen Israels Staatschef Benjamin Netanjahu als auch die Hamas-Führung ist zunächst nicht mehr als genau das: ein Antrag.
Ob ein Richter des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) tatsächlich befindet, es gebe „hinreichende Gründe für die Annahme, daß sie für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich sind“, ist völlig offen.
Aber allein die Möglichkeit muß die deutsche Bundesregierung in höchstem Maße alarmieren. Denn dann stünden gleich zwei Eckpfeiler deutscher Politik im Feuer: Zum einen die deutsche „Staatsräson“, nach der sich Deutschland unerschütterlich vor Israel und sein Existenzrecht stellt. Vor diesem Hintergrund ist es schlicht unvorstellbar, daß auf deutschem Boden ein Haftbefehl gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt des jüdischen Staates vollstreckt wird.
Zum anderen stellt allein die Möglichkeit einer solchen Situation den deutschen Glauben, in der Verrechtlichung der internationalen Beziehungen das Heil der Menschheit zu finden, grundsätzlich in Frage. Der Grundsatz, daß vor dem „Gesetz“ alle gleich sind, stößt bei souveränen Staaten offensichtlich an seine praktischen Grenzen. Zumal der Ankläger in Den Haag mit seiner skandalösen Gleichbehandlung einer terroristischen Organisation mit einem von ihr angegriffenen Rechtsstaat dem Ansehen des IStGH einen schweren Schlag versetzt hat.