© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/24 / 17. Mai 2024

Keine Akzeptanz und Gewinne
AstraZeneca gibt Zulassung für sein Corona-Vakzin auf – neue Hoffnung für Impfgeschädigte?
Jörg Schierholz

Er hieß zunächst AZD1222 und später Vaxzevria. Er wurde Ende 2020 in Großbritannien und dann am 29. Januar 2021 – auf Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) – von der EU-Kommission als dritter „sicherer und wirksamer Impfstoff gegen Covid-19“ bedingt und mit großen Erwartungen zugelassen. Mit dem AstraZeneca-Vakzin würden „400 Millionen zusätzliche Dosen in Europa verfügbar sein“, erklärte damals EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Damit werde „unser Portfolio erweitert“, ergänzte die zypriotische Christdemokratin und EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides, denn „wir lassen bei unserem Kampf gegen diese Pandemie nichts unversucht“.

In den USA wurde das Vakzin zwar für den Export hergestellt, es hatte aber keine Zulassung von der Arzneimittelbehörde FDA. Nun hat Vaxzevria auch seine Zulassung im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR/EU plus Island, Liechtenstein und Norwegen) verloren – „aus kommerziellen Gründen“, wie der britisch-schwedische Pharmakonzern betont. Der Nachfragemangel beruhe auf einem Überschuß an angepaßten Impfstoffen für neue Covid-19-Varianten. Die EU-Kommission erklärte, „daß die Entscheidung nicht auf Zweifeln an Sicherheit oder Wirksamkeit des Impfstoffes beruht“.

„Ein kausaler Zusammenhang“ mit Hirnvenen- und Bauchthrombosen

Der Vektorimpfstoff kam aber bald in die Kritik, da er in sehr seltenen Fällen zu schweren Nebenwirkungen in Form ungewöhnlicher Hirnvenen- und Bauchraumthrombosen in Kombination mit Blutplättchenmangel führte. Ein „kausaler Zusammenhang“ mit den Vaxzevria-Impfungen werde „als plausibel angesehen“, heißt es im „Rote-Hand-Brief“ des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 13. April 2021. Der EMA-Sicherheitsausschuß befaßte sich zwar eingehend mit den bis 22. März 2021 gemeldeten 86 Thrombosefällen, von denen 18 tödlich verliefen, aber „der Gesamtnutzen des Impfstoffs bei der Vorbeugung von Covid-19 überwiegt die Risiken von Nebenwirkungen“, verlautbarte die EMA am 7. April.

Daher wurden im EWR und Großbritannien weitere zig Millionen Vaxzevria-Dosen verabreicht. Und es gab eine finanzielle Komponente: AstraZeneca hatte über die Entwicklungskooperation mit der Universität Oxford vertraglich vereinbart, Vaxzevria zum Selbstkostenpreis von 2,30 Euro pro Impfdosis abzugeben. Zum Vergleich: Im Dezember 2020 bestellte der Bund 39 Millionen mRNA-Impfdosen bei Biontech/Pfizer für 15,50 Euro pro Dosis und neun Monate später nochmals 168 Millionen Comirnaty-Impfdosen zu 23,20 Euro.

Die US-Firma Moderna verkaufte ihre 15 Millionen bestellten mRNA-Impfdosen für 19,50 Euro pro Dosis im Jahr 2020 und drei Monate später ihr Spikevax für 29,70 Euro pro Dosis. Die Corona-Impfstoff-Bestellungen haben den Bund bis 2023 über 13 Milliarden Euro gekostet – obwohl Biontech-Chef Uğur Şahin 2020 versprochen hatte, daß „kein Unternehmen mit dem Corona-Impfstoff sich eine goldene Nase verdienen wird“. Ein Jahr später glänzte die Mainzer Biontech SE mit einem Nettogewinn von 10,3 Milliarden Euro, der ihn und seine Frau Özlem Türeci in die „World’s Billionaires“-Liste von Forbes katapulierte. Ihr US-Entwicklungs- und Vertriebspartner Pfizer erfreute seine Aktionäre sogar mit Erträgen von über 50 Milliarden Euro durch den Impfstoff.

Auch der Vektor-Impfstoff Jcovden (Ad26.COV2.S) von Janssen, der belgischen Tochterfirma des US-Konzerns Johnson & Johnson, der im Februar 2021 von der FDA „für den Notfall“ und im März 2021 von der EMA/EU „bedingt“ zugelassen wurde, kann in seltenen Fällen ungewöhnliche Thrombosen verursachen. Dies wurde auch nach Comirnaty- und Spikevax-Impfungen gemeldet, aber weder vom PRAC noch vom PEI als wichtiges Sicherheitssignal gewertet. Zudem wurde ein Warnhinweis bezüglich des Guillain-Barré-Syndroms (GBS/Nervenschädigung durch Autoimmunreaktion) und das Kapillarlecksyndrom für Vaxzevria und Jcovden veröffentlicht.

Diskussionen um die pharmazeutische Qualität wie bei den mRNA-Impfstoffen, entdeckt im Labor von Kevin McKernan im April 2023, gab es bei den Vektorimpfstoffen von AstraZeneca bislang nicht. Im niederländischen Rapporteur’s Rolling Review Assessment Report (EMEA/H/C/005735/RR) vom November 2020 waren schon drei Probleme der mRNA-Wirkstoffe aufgelistet: verbleibendes DNA-Template, nur 50prozentige RNA-Integrität sowie doppelsträngige RNA („prozeßbedingte Unreinheiten“). Auch die damals fehlenden Studien zur Genotoxizität oder zur Karzinogenität wurden bei den Vektorimpfstoffen nicht bemängelt.

Auch zu einigen Bestandteilen der Lipid-Nanopartikel in mRNA-Impfstoff gab es keine toxikologischen Daten. „Der Großteil der mRNA verbleibe nach der Covid-Impfung im Muskel und kleinste Mengen, die ins Blut oder die Organe gelangen, seien dort unbedenklich“, beruhigte der Biochemiker Klaus Cichutek, bis 2023 PEI-Präsident, die Impflinge in einem WDR-Interview. Allerdings: Komplikationen wie Schädigungen durch Herzmuskelentzündungen sowie Thrombosen und andere Blutgerinnungsstörungen traten in den mRNA-Studien häufiger auf als nach der Anwendung von Placebo.

Die Weigerung aller beteiligten Pharmaunternehmen, klinische Rohdaten bezüglich der Covid-Impfstoffe an externe Wissenschaftler herauszugeben, um die Kausalität von Nebenwirkungen besser abzuschätzen, ist eine gängige Praxis – aber keine vertrauensbildende Maßnahme für die Akzeptanz von Impfungen. In den Studienrohdaten sind die Vorerkrankungen eines geimpften Patienten und der Zeitraum bis zum Auftreten einer Komplikation dokumentiert. Damit läßt sich sehr viel eher abschätzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit das Nebenwirkungsereignis auf die Immunisierung zurückgeht.

Laufende Schadensersatz-und Schmerzensgeldverfahren

Die 1993 in England gegründete Cochrane Charity – ein Forschernetzwerk, das sich dafür einsetzt, daß gesundheitsrelevante Entscheidungen auf der Basis von wissenschaftlicher Evidenz gefällt werden – prangert seit langem diese Geheimniskrämerei an. Der Schweizer Pharmagigant Roche mußte 2014 alle Studien-Rohdaten, die im Rahmen der Zulassung des Grippemittels Tamiflu erhoben wurden, einer unabhängigen Analyse zur Verfügung stellen. Nach dieser Auswertung zeigte sich eine geringere Wirksamkeit und mehr Nebenwirkungen als vom Hersteller angegeben wurden. Eine solche Tendenz entdeckten Robert Kaplan (Stanford) und Sander Greenland (UCLA) bei den mRNA-Studien von Moderna und Pfizer. Sie gaben zu bedenken, daß eine vergleichbar hohe Rate an schweren Nebenwirkungen – ein Fall pro 800 Geimpfte – bei anderen Impfstoffen kaum akzeptiert würde.

Die laufenden Schadensersatz- und Schmerzensgeldverfahren wegen mutmaßlicher Corona-Impfschäden waren – neben der kommerziellen Seite – ausschlaggebend für die Zulassungsaufgabe von Vaxzevria. Im April wurde AstraZeneca zu einer umfassenden Auskunft über Nebenwirkungen von Vaxzevria verurteilt. Nach Auffassung der Richter ist der Impfstoff zwar nicht „fehlerhaft“, aber das Unternehmen hätte unzureichend über die Risiken aufgeklärt und es wäre zu klären, „ob eine Darstellung in der Fachinformation nach dem damaligen wissenschaftlichen Stand geboten war“. AstraZeneca ist mit einer Sammelklage von 51 mutmaßlichen Impfopfern konfrontiert – es geht dabei um Zahlungen von bis zu 100 Millionen Pfund.


 ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/vaxzevria-previously-covid-19-vaccine-astrazeneca

 www.sensible-med.com/p/why-we-question-the-safety-of-covid