© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/24 / 17. Mai 2024

Zeitschriftenkritik: Philosophie-Magazin – Sonderausgabe zu Franz Kafka
Vom Wesen der Macht
Thorsten Thaler

Am 3. Juni dieses Jahres jährt sich der Todestag Franz Kafkas zum hundertsten Male. Dem 1883 in Prag geborenen Schriftsteller verdankt die Welt einen der berühmtesten ersten Sätze deutschsprachiger Literatur: „Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ So beginnt sein Roman „Der Prozeß“, unvollendet und posthum 1925 veröffentlicht. „Einem Spiegelkabinett gleich, spielen Kafkas Erzählungen und Romane mit dem Scheinbaren, führen uns auf falsche Fährten und lösen fast unmerklich die Fäden, aus denen sich das Reale spinnt. Zugleich ist seine Prosa eine präzise Studie moderner Macht“, schreibt Jana Glaese, Chefredakteurin der Sonderausgabe „Der unendliche Kafka“ des Philosophie-Magazins.

Zum Wesen der Macht in Kafkas Texten gehört, daß sie keinen zentralen Ort hat, sich mit dem Leben selbst deckt und keinen Widerstand bietet, erklärt im Gespräch der Literatur- und Kulturwissenschaftler Joseph Vogl. „Im Gegenteil: Sie entzieht sich, weicht aus und löst allenfalls Erschöpfung aus, bleibt selbst aber ungreifbar.“ Für Friedrich Weißbach, wissenschaftlicher Mitarbeiter am philosophischen Institut der Universität Münster, führt „Der Prozeß“ uns vor Augen, „daß nicht nur die Suche nach einer Wahrhaftigkeit oder Gerechtigkeit im Recht vergebens ist, sondern daß Wahrheit für das Wirken des Rechts letztlich unbedeutend ist“.

Wie die Figuren in Kafkas Werk dennoch Wege finden, sich dem Zugriff der Macht zu erwehren, indem sie sich subversiv ins Kleine verwandeln, beschreibt der Philosoph Fabian Bernhardt (FU Berlin) unter Bezugnahme auf Elias Canetti.  

Der Philosoph und Schriftsteller Rüdiger Safranski erläutert im Interview die Grundthese seines kürzlich erschienenen Kafka-Buches, wonach Literatur für Kafka „etwas Absolutes, das Schreiben etwas fast Heiliges“ war. Dabei sei er jedoch in Konflikt mit sonstigen Lebensaufgaben wie Berufsausübung und Familiengründung gekommen. Deswegen habe das Schreiben bei Kafka „Schuldgefühle gegenüber dem Leben“ ausgelöst. Ehe und Beruf haben für ihn in der zweiten Reihe gestanden, seine Leidenschaft sei das Schreiben gewesen, in den gelungenen Momenten für Kafka „eine absolut ekstatische Erfahrung“.

Weitere Beiträge und Gespräche in dem 114 Seiten starken Heft befassen sich mit dem Freiheitsbegriff bei Kafka sowie der Bedeutung seiner Werke im Denken sowohl der politischen Theoretikerin Hannah Arendt als auch der Vertreter des „Neuen Materialismus“. Der Schlußteil widmet sich Kafkas Verhältnis zum menschlichen Körper und der Körperlichkeit seiner Figuren.


Kontakt: Philomagazin Verlag GmbH, Brunnenstraße 143, 10115 Berlin. Das Heft kostet 11,90 Euro, www.philomag.de