Die Sonderkonferenz war schnell einberufen, eine Einigung der Innenminister von Bund und Ländern rasch erzielt: Nach dem Angriff auf den sächsischen SPD-Spitzenkandidaten zur Europawahl Matthias Ecke am ersten Mai-Wochenende, einigte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit ihren Ressortkollegen aus den Ländern am Dienstag vergangener Woche darauf, eine Strafverschärfung bei Angriffen auf Politiker zu prüfen.
Das bestehende Strafrecht bilde die Bedrohung für Amts- und Mandatsträger, aber auch für Ehrenamtliche „nicht mehr hinreichend ab“, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU). Dabei gehe es vor allem um die Straftatbestände Körperverletzung und Nötigung. Ziel seien konkrete Gesetzesinitiativen zur Erweiterung des Strafgesetzbuches. Die aggressive Beeinflussung von Amts- und Mandatsträgern müsse mit ihrer besonderen Wirkung auf die Demokratie strafrechtlich schärfer gefaßt und geahndet werden. Doch so schnell, wie die schnelle Einigung der Innenminister auf eine Strafverschärfung glauben macht, dürften die in Aussicht gestellten Maßnahmen nicht kommen – wenn überhaupt. Denn mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) deutete ein Minister sein Veto an, dessen Wort in dieser Frage Gewicht hat: „Der Versuch, das gesellschaftliche Problem einer allgemeinen Verrohung der politischen Auseinandersetzung mit dem Strafrecht allein zu lösen, wird scheitern“, sagte Buschmann der Nachrichtenagentur dpa. Er sei aber bereit, sich Vorschläge der Länder zum Strafrecht anzusehen.
Grundsätzlich müsse das Strafrecht besonderen Anforderungen genügen. „Das heißt, wir können nicht eine unpräzise Formulierung nutzen, die dann möglicherweise auch legitimes Verhalten kriminalisieren würde.“ Auch sei die Versammlungsfreiheit ein hohes Gut. Bürgerinnen und Bürger dürften auch gemeinsam gegenüber einem Politiker Kritik zum Ausdruck bringen. „Das muß man präzise von einer nicht mehr akzeptablen Bedrohungssituation abgrenzen“, machte der Justizminister deutlich. Schnell fiel in der Debatte der Begriff der Zwei-Klassen-Justiz. So warnte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) davor, sich bei den geplanten Maßnahmen nur auf Politiker zu konzentrieren. „Wir in Nordrhein-Westfalen tun seit Jahren etwas gegen die wachsende Gewalttätigkeit gegenüber Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, gegen Rettungskräfte, Mitarbeiter im Ausländeramt oder Polizisten. Stehen die nicht auch im Dienst der Allgemeinheit, brauchen die keinen Schutz“, fragte er in der Welt.
„Politiker ist nichts Besseres als ein normaler Arbeitnehmer“
Von „hilflosem Aktionismus“ und dem Eindruck von „Gewaltopfern erster und zweiter Klasse“ sprach der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm: „Auch immer mehr Bürgerinnen und Bürger spüren die zunehmende Gewalt in ihrem Alltag. Dazu schweigt die Innenministerin völlig.“ Ähnlich äußerte sich der AfD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla, der den Vorschlag, Attacken auf Politiker härter zu bestrafen, im RBB kurz und knapp als „Quatsch“ bezeichnete. „Ein Politiker ist doch nichts Besseres als ein normaler Arbeitnehmer oder Arbeitgeber“, sagte Chrupalla, der im vergangenen Jahr selbst Opfer einer bislang nicht aufgeklärten Attacke wurde.
Unterdessen plant das Bundeskriminalamt (BKA) offenbar unter dem Eindruck der vermehrten Angriffe auf Politiker und Wahlkämpfer, den Personenschutz für Politiker zu verstärken, berichtet der Spiegel. Auf Veranstaltungen mit einem „hohen Reizwert“ sollen Politiker demnach mehr Schutz durch Sicherheitspersonal bekommen.
Dafür sollen knapp hundert weitere Personenschützer bis zur Bundestagswahl 2025 ausgebildet werden. Dem Bericht nach wird die Verschiebung von Personal zur BKA-Sicherheitsgruppe aber dazu führen, daß die eingesetzten Polizisten an anderer Stelle fehlen werden.