Die Jugend wählt AfD – zumindest mehrheitlich. Laut der Trendstudie „Jugend in Deutschland“ wollen 22 Prozent der 15- bis 29jährigen („Generation Z“) ihr Kreuz bei der blauen Partei machen. 2022 waren es nur neun Prozent. Die Grünen fielen hingegen von vormals 27 Prozent auf 18 Prozent. Ein Paukenschlag.
Medien, Politiker und die Mehrheit der Bürger lassen verdutzt den Mund offenstehen: Waren diese jungen Leute nicht besonders grün und klimafreundlich? Besonders links? Besonders bunt und fortschrittlich? Haben sie sich nicht eben noch auf die Straße geklebt, Ostasien bereist und vegane „Hafermilch“ gekauft?
Dieses Bild von „der Jugend“ ist doppelt falsch: Zum einen beschreibt es eher die Generation der Millennials, also der Alterskohorte, die vor 1995 geboren ist. Zum anderen ist diese Darstellung der „Grünen Jugend“ maßgeblich durch die Presse herbeigeschrieben. Zwar hatten junge Menschen bisher einen leichten Drall nach linksgrün, doch war dieser bei weitem nicht so groß, wie die etablierten Medien es darstellten.
Diese Entwicklung wäre beim Blick auf die Fakten nicht verborgen geblieben – doch stattdessen bauschten linke Akteure das Phänomen der „Klimajugend“ mittels Greta Thunberg und Luisa Neubauer massiv auf. Die konservative Gegenseite verinnerlichte diese Überzeichnung bereitwillig: Zu bequem war die Erzählung von der verblendeten Jugend, die sich ohne Sachverstand dem Weltklima opfert.
Auch für das starke Ergebnis der Grünen unter Jungwählern gibt es eine einfache Erklärung: Die Grünen – auch die FDP – waren die einzigen Parteien, denen es gelang, junge Menschen wirklich abzuholen und ein Lebensgefühl zu verkaufen. Die Darstellung entscheidet, weniger die Inhalte. Weiter ist überlegenswert: In der gerontokratischen Bundesrepublik – von Alten für Alten – ist der Kampf um die Zukunft bekanntlich nur ein Lippenbekenntnis – außer eben bei Klima und Umwelt. Könnte der Einsatz für das Klima von jungen Menschen nichts anderes gewesen sein, als eine psychologische Ausweichreaktion?
In der Jugend haben grüne Themen stark an Relevanz verloren. Die erzwungene Teilnahme am öffentlichen Leben durch Schule, Ausbildung, Universität läßt den heranwachsenden Deutschen mit krachender Brutalität klarwerden, daß Multikulti und Integration Lügen sind und daß man mit „den besseren Argumenten“ oder einem guten Draht zum Vertrauenslehrer keinen Blumentopf gewinnen kann.
Junge Menschen können erstmals live dabeisein, wie ihre eigene Zukunft dem Weltklima geopfert wird und der Wohlstand Deutschlands schneller abschmilzt als die Polkappen. Ein Blick in die Jugendstudie offenbart nämlich nicht nur den Hang zur AfD, sondern auch die Sorgen vor realen Problemen: Inflation, Krieg, teurer Wohnraum – erst auf Platz vier kommt der Klimawandel, der beinahe von der „Altersarmut“ überholt wurde. Zugleich sind ganze 51 Prozent der Meinung, daß der Staat sich stärker um Flüchtlinge als um hilfsbedürftige Deutsche kümmert.
Dazu gesellen sich noch weitere Befunde: Die unter 29jährigen haben statistisch betrachtet deutlich weniger Fehltage als der durchschnittliche Arbeitnehmer, das wichtigste Kriterium bei der Jobwahl ist das Gehalt, die wichtigste Nebenkondition sind bezahlte Überstunden, und als wichtigste Statussymbole wurden „Intelligenz“, „beruflicher Erfolg“ und „Fitneß (athletischer Körper)“ genannt. Etwas mehr als die Hälfte leidet unter Streß, und sogar mehr als zehn Prozent befinden sich in psychotherapeutischer Behandlung. Zusammengefaßt: Leistungsorientiert, karrierefokussiert, überstrapaziert, desillusioniert – und ganz sicher nicht grün oder sozialistisch.
Umfragen spiegeln nicht nur die Realität wider – sie erschaffen sie mit. Ein derart klares Bekenntnis der Jugend zur AfD verursacht massiven Schaden auf linker Seite („All unsere Mühen vergebens?“), es ermutigt Wackelkandidaten aus der Mitte („Sogar die Jugend!“) und stärkt die eigenen Reihen („Ich bin nicht alleine!“). Die Bedeutung der Jugendstudie ist auch der Gegenseite bewußt: Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa Manfred Güllner meldete sich zu Wort und kritisierte die Methodik: Es sei ja nur eine Online-Befragung gewesen, zudem kämen die Umfrageergebnisse summiert auf 99 statt 100 Prozent. Der politische Mainstream stürzt sich mit Begeisterung auf die versuchte Delegitimierung – dabei ist klar, daß man mit dieser schwächlichen Kritik nicht am Ergebnis rütteln kann.
Nun wäre es auf seiten der Konservativen angebracht, diese politische Wende zu begrüßen. Aber ein großer Teil redet den guten Trend klein. 22 Prozent? Das seien viel zu wenig. Ohnehin sei es zu spät. Die Mehrheit stehe ja immer noch hinter linken Parteien. Die Demographie zu mächtig. Und Deutschland wahlweise in der Hand linksextremer Gender-Advokaten, islamistischer Fundamentalisten oder generell verloren.
Mit diesen unbedachten Äußerungen tötet man den Kampfgeist im eigenen Lager und spuckt jungen Menschen ins Gesicht, die sich durch den bundesrepublikanischen Trümmerhaufen kämpfen und „das Zusammenleben täglich neu aushandeln müssen“ (Aydan Özoğuz).
Auch entbehrt der Defätismus jeglicher Grundlage: 22 Prozent AfD-Wähler. Das sind mehr als jeder Fünfte trotz medialer Dauerindoktrination, trotz grünem Elternhaus und sozialdemokratischer Lehrerschaft und trotz sozialem Anpassungsdruck zwischen linkem Mainstream und tonangebenden Muslimen.
Es reift gerade eine Generation heran, die immun gegen Schuldkult, Nazikeule und moralische Erpressung ist. Wer als junger Mensch die letzten Jahre das „beste Deutschland aller Zeiten“ hautnah miterleben durfte, dem braucht man nicht mehr mit den armen Asylanten, Geschlechtergerechtigkeit oder Klimawandel zu kommen. 22 Prozent, das ist nicht das Ende der Fahnenstange, sondern gerade erst der Anfang.
Florian Müller, Jahrgang 1991, ist einer der Chefredakteure des Magazins Krautzone.