In dem innerstädtischen Gebäude wohnen schon seit längerem Flüchtlinge. An der Neunziger-Neubaufassade erscheinen die großen Fenster wie ein überdimensionales „Vier gewinnt“. Hinter der einen geöffneten Glasfront hängt Wäsche. Hinter der anderen türmen sich Klamotten und Spielzeug auf. Bei der schräg darunter hängt eine große blaugelbe Fahne. Fehlt nur noch ein „dekoriertes“ Fenster, und die Viererreihe ist komplett.
Den Sieg in ökonomischer Hinsicht scheinen die Bewohner oder zumindest ihre Besucher trotzdem eingefahren zu haben. Direkt vor dem mehrgeschossigen Haus steht neben einer Audi-Limousine ein glänzender Mercedes-SUV im absoluten Haltverbot. Zwei ost- bis südeuropäisch aussehende Männer – einer in Jogginganzug, der andere in schicker Lederjacke – unterhalten sich gesten- und lacherreich daneben in einer fremden Sprache.
Ein Bewohner verläßt telefonierend das Gebäude, freudiges Winken und Zeichengeben zu den beiden anderen. Man versteht sich, obwohl man anscheinend nicht dieselbe Sprache spricht. Auf der anderen Straßenseite parkt ein schnittiger BMW M5 mit ukrainischem Nummernschild. Daneben ein weiterer SUV mit süddeutschem Kennzeichen.
Ein Freund hatte sich über eine Terrasse im Grünen gefreut. Nun sollen dort Flüchtlingscontainer hin.
Der letzte, von den vielen Etagen völlig verschwitzte und keuchende Paketbote, mit dem ich per Google Translate über sein Smartphone kommuniziert habe, kommt mir in den Sinn. Wie lange wird er den Job wohl noch machen, wenn er realisiert, daß es anscheinend auch sehr viel einfacher und knochenschonender geht?
Auch an die Berichte eines Freundes muß ich denken, der auf dem umkämpften Markt eine Wohnung in einer begehrten Gegend geschossen hat. Er hatte sich sehr über seine kleine Terrasse mit Blick ins Grüne gefreut. Um die Ecke wollen sie den gutbürgerlichen Bewohnern nun Flüchtlingscontainer hinstellen. Die Begeisterung ist entsprechend. So ganz verstehe ich das nicht: Zumindest beim Fuhrpark dürften sich die neuen Nachbarn sehr gut den Einheimischen anpassen.
Drei Tage habe ich nicht geraucht – und wurde zu einem Monster.
US-Schriftsteller Paul Auster (1947–2024)