In der Schweiz ist die Welt noch in Ordnung. Das meinen viele, die dort leben, darunter auch der Sänger, Rapper und Tänzer DJ Bobo, wie er vor vielen Jahren in einem Stern-Interview bekundete. Aber DJ Bobo macht ja auch Dancefloor-Musik zum Davonlaufen. Anna Netrebko hingegen darf in der Schweiz nicht auftreten, jedenfalls nicht im Kanton Luzern. Das Kultur- und Kongreßzentrum Luzern (KKL) hat auf Druck der Kantonsregierung einen am 1. Juni dieses Jahres geplanten Auftritt der weltberühmten russischen Sopranistin abgesagt. Grund: Die öffentliche Wahrnehmung Netrebkos sei „weiterhin kontrovers“, es bestünde die Sorge vor Ausschreitungen und Protesten, auch mit Blick auf eine Ukraine-Friedenskonferenz, die zwei Wochen später in der Nähe von Luzern stattfinden soll. Die 52jährige Netrebko war nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 wegen ihrer angeblichen Nähe zu Präsident Putin in die Kritik geraten. In Luzern habe der Regierungsrat „die unmißverständliche Erwartung“ geäußert, daß das geplante Konzert abgesagt werde, sagte der Bildungs- und Kulturdirektor des Kantons, Armin Hartmann, am Mittwoch voriger Woche auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Wie publikumsfeindlich diese Absage ist, zeigte vergangenen Samstag bei den diesjährigen Maifestspielen in Wiesbaden der vielumjubelte Auftritt Anna Netrebkos in der Titelpartie von Puccinis „Turandot“. Proteste dagegen vor dem Hessischen Staatstheater blieben friedlich.
Eine Stilkunde des guten Schreibens am Beispiel von Fehlgriffen als Hommage
an das Geglückte.
Von dem unsterblichen US-amerikanischen Erzähler Mark Twain stammt der Satz: „Schreiben ist leicht. Man muß nur die falschen Wörter weglassen.“ Wie jeder Literaturkundige indes weiß, greifen auch die berühmtesten Schriftsteller zuweilen daneben. Doch was ist eigentlich ein guter Schreibstil? Worin drückt er sich aus? Liegt das Urteil darüber nicht bei den Lesern mit ihren unterschiedlichen Meinungen? Ja, kann es denn bei dieser Frage überhaupt einen Konsens geben? Eine Antwort darauf gibt das höchst lesenswerte Buch von Stefan aus dem Siepen mit dem überraschenden Titel „Wie man schlecht schreibt“. Darin widmet sich der Autor der „Kunst des stilistischen Mißgriffs“. Der Jurist Stefan aus dem Siepen arbeitet im Diplomatischen Dienst, veröffentlicht Romane (großartig: „Das Seil“) und schreibt seit 2016 eine Kolumne in der Monatszeitschrift Cicero unter dem Titel „Der Flaneur“. In seinem Buch nun stellt er unter anderem erzählerische Nachlässigkeiten, überfrachtete Sätze, mißglückte Anfänge, preziöse Wortwahl, sprachliche Vulgaritäten, schiefe Metaphern, raunende Titel und ungelenke Intimszenen vor – allesamt aus den Federn großer Schriftsteller und damit also umgekehrt eine „Hommage an das Geglückte“.
Stefan aus dem Siepen: Wie man schlecht schreibt. Die Kunst des stilistischen Mißgriffs. zu Klampen Verlag, Springe 2023, gebunden, 280 Seiten,24 Euro