© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/24 / 10. Mai 2024

Der weltoffene Antisemitismus im Kulturbetrieb
Unbegreiflicher Konformismus

Wie in seiner Branche üblich, ist Lars Henrik Gass, seit 1997 Leiter der Internationalen Kurzfilmtage in Oberhausen, irgendwie „links“. Eher nicht milieutypisch  ist hingegen, daß er diese Position seit kurzem kritisch hinterfragt, weil fast 2.000 seiner nunmehr Ex-Gesinnungsfreunde einen im Netz veröffentlichten Text unterzeichneten, der Filmschaffenden einen Boykott der Kurzfilmtage nahelegte, weil deren Leiter „Palästinenser rassistisch stigmatisiert“ habe. Das war die Reaktion darauf, daß Gass nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 auf der Facebook-Seite des Festivals eine Solidaritätskundgebung für Israel angeregt hatte. Als Symptom verschärfter Politisierung des wie gleichgeschaltet wirkenden Kulturbetriebs habe ihn diese „Schlüsselreize“  abrufende Kampagne zwar nicht überrascht. Aber es falle ihm schwer, den Konformismus jener Unterzeichner zu begreifen, mit denen er seit Jahrzehnten in Oberhausen kooperierte, mit denen er auch privat verkehrte und die ihn nun nicht mehr einlüden, wie er im Gespräch mit dem Linksaußen-Magazin Konkret (5/2024) beklagt. Selbst die Förderer des Festivals böten ihm keinen Rückhalt mehr: „Alle hoffen, durch Regungslosigkeit aus der Sache rauszukommen“. Darum sei man auch dem Antisemitismus gegenüber sehr „weltoffen“. Nicht weil es im Kulturbereich vor „veritablen Antisemiten“ wimmle, „sondern weil die meisten begriffen haben, daß sie einen bestimmten kulturellen Code reproduzieren müssen, um auf diesem Territorium bestehen zu können“. Damit steht die Frage im Raum, „ob Kultur unter solchem Konformitätsdruck noch möglich ist“. (wm)

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