© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/24 / 10. Mai 2024

Albion schlafwandelt in eine Spaltung hinein
Kommunalwahlen in Großbritannien: Während die Rechte kaum von der Krise der Tories profitiert, kommen ethnische Probleme zum Vorschein
Kuba Kruszakin

Einmal mehr ein Sieg: Mit 43,8 Prozent der Stimmen bestätigten die Einwohner von London vergangene Woche Sadiq Khan im Amt des Bürgermeisters. Mit der dritten Amtszeit als Verwaltungschef der britischen Hauptstadt schreibt der pakistanischstämmige Poltiker der sozialdemokratischen Labour Geschichte. Die Gegenkandidatin der liberalkonservativen Tories, Susan Hall, kam auf 32,7 Prozent. In einer Stadt, in der namhafte Parteikollegen wie der Ex-Premier Boris Johnson ihre Karrieren aufgebaut hatten, muß die Partei um den Premierminister Rishi Sunak nun Wunden lecken.

Es ist längst nicht ihre einzige Niederlage bei den jüngsten Kommunalwahlen. In den 107 Gemeinderäten, in denen abgestimmt wurde, verloren die Tories nahezu die Hälfte ihrer 989 Vertreter. Und bei der gleichzeitig stattfindenden Nachwahl in das Parlamentsunterhaus im nordenglischen Wahlkreis Blackpool South kamen sie auf nicht einmal 18 Prozent. Stattdessen holte Labour den Sitz mit mehr als 41 Prozentpunkten Vorsprung. Trotzdem gab sich Sunak selbstbewußt. „Ich bin fest überzeugt, daß wir als Partei zusammenkommen und den Briten zeigen, daß wir uns für sie einsetzen“, sagte er der Tageszeitung The Times.

In den Bezirken mit einem hohen Moslem-Anteil verliert Labour

Daran glauben wenige. Seit Monaten liegt die Partei ununterbrochen hinter Labour in den Umfragen. Einer YouGov-Untersuchung zufolge droht den Tories mit 18 Prozent ein historisches Debakel bei der diesjährigen Unterhauswahl. Auch in den Kompetenzumfragen des Instituts dümpeln die Liberalkonservativen vor sich hin. So traut ihnen nicht einmal ein Fünftel der Befragten zu, am besten für Sicherheit zu sorgen. In den Migrationsfragen kommt die Partei nur auf 14 Prozent Vertrauensvorschuß.

Die Tories, die vor fünf Jahren eine klare Mehrheit im Unterhaus errungen hatten, können nicht einmal die Hälfte ihrer einstigen Wähler an die Urne bringen. Fast ein Drittel hat nun eine Option jenseits des vorherrschenden Labour-Tory-Duopols gefunden: die sich rechts der Tories positionierende Reform UK. „Wir sind die wahre Opposition zu Labour“, erklärte deren Chef Richard Tice.

Tatsächlich verpaßte die von dem bekannten Rechtspolitiker Nigel Farage gegründete Partei hauchdünn den zweiten Platz bei der Unterhaus-Nachwahl in Blackpool South. Sonst konnte sie nicht an Farages alte Erfolge anknüpfen. Nur in 323 von 2.655 Kommunalwahlkreisen stellte sie Kandidaten auf – und gewann zwei. Tice gab dem Mehrheitswahlrecht die Schuld: „Daß man bei 17 Prozent landesweit keine Sitze bekommt, zeigt, daß die Demokratie nicht funktioniert.“

Für andere scheint sie es doch zu tun – etwa für die propalästinensischen Kräfte, die wiederum der Labour zum Verhängnis werden. Deren Vorsitzender Keir Starmer hatte mit der antizionistischen Linie seines Vorgängers gebrochen. „Jetzt sehen wir die Konsequenzen“, sagte der Vorsitzende der innerparteilichen Gruppe „Labour Muslim Network“, Ali Milani. So verlor die Partei dort, wo Moslems mehr als ein Fünftel der Bevölkerung stellen, fast 18 Prozent der Stimmen.

Ein Problem der Labour zeigt der Mehrheitsverlust im Stadtrat von Oldham. Die Stadt hatte jahrelang unter dem Treiben eines migrantischen Pädophilenrings gelitten. „Zusammen mit Starmers Unterstützung für Israel ließ es den Stimmenanteil sowohl innerhalb der weißen Arbeiterklasse, als auch der moslemischen Community sinken“, schrieb der Publizist Sebastian Milbank von der Zeitschrift The Critic. Und mahnte: „Eine neue Spaltung ist am Werk – entlang der vergifteten Gräben um Ethnie, Kultur, Klasse und Religion.“