© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/24 / 10. Mai 2024

Amerikas Studenten-Intifada
Israelhaß an US-Hochschulen: Die linksradikalen propalästinensischen Aktivisten bringen Joe Bidens Partei in die Klemme
Julian Schneider

Die gespenstischen Szenen an Universitäten von New York bis Kalifornien hatten Amerikas Öffentlichkeit in Atem und könnten den Republikanern im Präsidentschaftswahlkampf nützen. Vermummte Aktivisten mit Palästinensertüchern auf dem Campus der University of California Los Angeles (UCLA), besetzte Gebäude, wehende Fahnen, Zeltstädte und Barrikaden – und dann Polizeieinheiten in Kampfmontur, die mitten in der Nacht das Gelände stürmten. Von seiten der Protestler flogen Holzlatten und Flaschen, die Polizei schoß mit Tränengas. Hunderte Protestler wurden verhaftet.

Was an der UCLA und zuvor in ähnlicher Form an der Columbia University in New York vorige Woche passierte, hat das Land aufgewühlt. Seit Monaten protestiert die propalästinensische Linke an zahlreichen Hochschulen. Je elitärer und teurer die Universitäten sind, wo Studenten oft mehr als 50.000 US-Dollar im Jahr zahlen, desto intensiver scheint die Proteststimmung. Auch in Harvard, Yale, Stanford und anderswo kochen antiisraelische Emotionen wegen des Gaza-Krieges hoch.

Die Republikaner sprechen von Taten gewalttätiger Chaoten

Manche fühlen sich an Studentenproteste gegen den Vietnamkrieg erinnert. 1968 waren es Zusammenstöße an der Columbia University, die landesweit Demonstrationen befeuerten. Die Demokratische Partei geriet damals in schweres Fahrwasser – und verlor im Folgejahr die Präsidentschaftswahl gegen den Republikaner Richard Nixon. Auch dieses Jahr könnten die propalästinensischen Proteste Joe Biden wichtige Stimmen kosten. Die Republikaner um Donald Trump werfen dem amtierenden Präsidenten vor, einen unentschiedenen Eindruck zu machen. „Wann wird der Präsident selbst, nicht seine Sprachrohre, diese haßerfüllten, kleinen Gaza-Camps verurteilen?“, ereiferte sich etwa Tom Cotton, ein Kongreß-Mitglied aus Arkansas.

Jüdische Studenten berichteten von einer bedrohlichen, feindseligen Atmosphäre an den Universitäten. An der UCLA verteilten Pro-Palästina-Aktivisten Farbbändchen an Gleichgesinnte und hinderten Andersdenkende als vermeintliche „Zionisten“ am Betreten des Campus und der Bibliothek. In Yale bekam eine jüdische Studentin eine Fahnenstange ins Auge gerammt.

Die Republikaner geißeln die Aufstände als Taten gewalttätiger Chaoten, rücken sie in die Nähe von Hamas-Sympathisanten. Solche gibt es tatsächlich vereinzelt. Bilder von der Stanford-Universität zeigten Demonstranten mit Hamas-Stirnbändern. An der Columbia-Universität in Manhattan trat ein Schwarzer als Einpeitscher auf, der zuvor im Internet zum Mord an „Zionisten“ aufgerufen hatte. Tagelang hielten Aktivisten die historische Hamilton Hall nahe dem Broadway besetzt. Bilder im Fernsehen zeigten Müllberge rund um Barrikaden und Zeltreste.

Trump jubelte nach der Räumung: „Die Polizei kam rein, und nach exakt zwei Stunden war alles vorbei. Das war schön anzusehen.“ Auch andere Hochschulpräsidenten sollten nun durchgreifen und die Uni-Gelände „zurückholen“ für die „normalen Studenten“, die in Sicherheit lernen wollten.

Unterdessen zeigen sich jüdische Spender von Elite-Unis, etwa der Hedgefonds-Milliardär und Harvard-Förderer Bill Ackman, entsetzt über den Aufruhr. Nachdem ein studentischer Männerbund an der University of North Carolina seine propalästinensischen Kommilitonen verhöhnte und dabei eine US-Fahne hochhielt, belohnte ihn Ackman mit einer Spende von 10.000 US-Dollar.

Die treibende Kraft der Proteste ist die postkoloniale Bewegung

Einen maßgeblichen Einfluß auf die Proteste hat die an den meisten amerikanischen Hochschulen gelehrte postkoloniale Theorie. Demnach herrsche der „weiße Westen“ auch nach seiner Kolonialzeit in einem ausbeuterischen Verhältnis über den „globalen Süden“. Anfangs richtete sich die Theorie vor allem gegen die USA und Europa als vermeintliche Hauptunterdrücker, zunehmend geriet aber auch Israel in den Fokus. Nicht zuletzt geriet eine Hauptvertreterin der Theorie, Philosophin Judith Butler, mit ihren europäischen Fachkollegen in Konflikt. Die Bewegung kämpft zudem für die sogenannten Antidiskriminierungsprogramme, die die ideologische Schlagseite an den Hochschulen fest verankern. Im anglophonen Raum sind diese als „Diversity, Equality, Inclusion“-Richtlinien (dt.: Vielfalt, Gleichheit, Inklusion) bekannt. Einer Umfrage der linken jüdischen Lobbyvereinigung „Anti-Defamation League“ zufolge kam nicht einmal ein Fünftel der Studenten während der Antidiskriminierungstrainings mit der Bekämpfung des Antisemitismus in Berührung.

Einige Republikaner wollen die Studentenproteste nun nutzen, um für grundsätzliche Änderungen zu plädieren, darunter J.D. Vance. „Die Eliteuniversitäten sind teure Betreuungseinrichtungen für verwöhnte Kinder geworden. Es wird Zeit, daß wir die Stiftungsvermögen aggressiv besteuern“, schrieb das Kongreßmitglied aus Ohio, das Berichten zufolge als möglicher Vizepräsidentschaftskandidat Trumps gilt. Bislang sind die Vermögen der Universitäten steuerbegünstigt. Eine neue Trump-Regierung könnte das ändern.