© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/24 / 10. Mai 2024

Ländersache: Mecklenburg-Vorpommern
Schlümpfe, Chiffren und Kampagnen
Peter Freitag

Der „Fall Loretta“ (JF 13/24) hat mittlerweile Justiz und Parlament in Mecklenburg-Vorpommern erreicht. Die 16jährige Schülerin war im Februar vom Direktor des Richard-Wossidlo-Gymnasiums in Ribnitz-Damgarten aufgrund einer anonymen E-Mail aus dem Unterricht geholt worden. Vor der Tür warteten Polizisten, um im Lehrerzimmer eine „Gefährderansprache“ vorzunehmen. Es ging um AfD-freundliche Posts in den sozialen Medien. Die Beamten räumten ein, die Mittellungen seien zwar nicht strafrelevant, trotzdem wolle man das Mädchen warnen. Nachdem zuerst die JUNGE FREIHEIT darüber berichtet hatte, schlug der Fall bundesweit hohe Wellen.

Nun hat im Auftrag der Familie des Mädchens der Kölner Rechtsanwalt Ralf Stark, der auch als Professor an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen lehrt, beim Verwaltungsgericht Greifswald Klage eingereicht. Laut Gericht soll es nun zwei Verfahren geben: eines gegen das staatliche Schulamt und das Schweriner Ministerium für Bildung sowie eins gegen das Polizeipräsidium Neubrandenburg und das Innenministerium des Landes. „Es ist wichtig, daß meiner Tochter hier Gerechtigkeit widerfährt, denn sie hat nichts Strafbares getan“, meinte die Mutter. 

Auch im Landtag war der Fall mittlerweile Thema einer lebhaften Debatte. In ihr übte die AfD erneut heftige Kritik am Vorgehen der Behörden. „Opfer ist eindeutig das Mädchen, das vorgeführt wurde von Schulleiter und Polizei“, meint der schulpolitische Sprecher der Fraktion, Enrico Schult. Auch andere Abgeordnete aus den Reihen der Opposition kritisierten die staatlichen Stellen – in erster Linie, weil sie ihr Agieren in dem Fall nicht transparent dargestellt hätten. 

Innenminister Christian Pegel (SPD) verteidigte einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa zufolge das Vorgehen der Polizisten und machte umgekehrt der AfD schwere Vorwürfe. Die Partei habe den Vorgang „mit bewußt falschen Darstellungen skandalisiert“ und für ihre eigenen Zwecke mißbraucht: „Es ist inakzeptabel, daß sie ein minderjähriges Mädchen verheizen für ihren Kommunalwahlkampf“, empörte sich der SPD-Minister. Es sei, betonte er, anders als anfangs suggeriert, nicht „um Schlümpfe“ , sondern „um Chiffrierungen gegangen, die im rechtsextremen Spektrum genutzt werden“. Die herbeigerufenen Polizisten hätten dies geprüft und keine strafrechtlichen Sachverhalte festgestellt. Als erfahrene Beamte hätten sie es jedoch für sinnvoll erachtet, „mit dem Mädchen zu reden“, schilderte Pegel. Es sei ein ruhiges Gespräch gewesen.

Auch SPD-Fraktionschef Julian Barlen nannte in der Debatte den Fall in Ribnitz-Damgarten ein Beispiel dafür, wie Rechte versuchten, mit „regelrechten Kampagnen und Desinformation“ die Demokratie zu unterhöhlen. Dem gelte es entgegenzutreten, gerade an Schulen. Wer sich gegenüber rechtsextremen Codes und Parolen neutral verhalte, sei „eben nicht neutral, sondern macht sich zum Steigbügelhalter der Feinde unserer Verfassung“, betonte der SPD-Fraktionschef. Die Reaktion des Gymnasialdirektors sei daher gerechtfertigt gewesen.