© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/24 / 10. Mai 2024

„Insgesamt warnen wir sehr deutlich“
China-Spionage: Der Fall des verhafteten AfD-Mitarbeiters wirft neue Fragen auf / Verbände sagen Veranstaltungen mit Spitzenkandidat ab
Christian Vollradt

Im Fall des wegen Spionageverdachts verhafteten ehemaligen Mitarbeiters des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah, Jian G., sind neue Details aufgetaucht. Daß der mehrere Male Kontakt mit dem Botschaftsrat der politischen Abteilung der chinesischen Botschaft in Berlin hatte, soll dem Verfassungsschutz 2019 bekanntgeworden sein; kurz bevor er bei Krah als Referent eingestellt wurde. Wäre man rechtzeitig darüber informiert worden, hätte der Arbeitsvertrag aufgelöst werden können, empörte sich Sachsens AfD-Chef Jörg Urban. 

Daß man aus politischer Motivation etwas vertuscht habe, wies Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) als „spekulative Unterstellungen“ zurück. In der Zeit, als sächsische Verfassungsschützer mit G. zu tun hatten, „spielte die AfD gar keine Rolle“.

Die Bild-Zeitung berichtet auf Basis ihrer Recherchen in den Geheimdienstakten, daß G. von der deutschen Spionageabwehr spätestens ab 2016 als Verdachtsfall eingestuft wurde, nachdem man ihn zuvor als Informant – lediglich – abgeschöpft, nicht aber beauftragt hatte. Pro forma und nur zum Schein habe man mit ihm weiter zusammengearbeitet, bis er dann 2018 sowohl beim Bundesamt als auch beim sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz „abgeschaltet“ wurde. Die Kölner Behörde beobachtete den inzwischen Eingebürgerten jedoch weiter – als mutmaßlichen chinesischen Spion. 

Auf die Frage, ob es nicht angebracht gewesen wäre, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz einen Mandatsträger darüber informiert, wenn es konkrete Anhaltspunkte für den tatsächlichen Verdacht hat, daß ein Mitarbeiter des betreffenden Politikers für einen ausländischen Nachrichtendienst tätig ist, antwortet das Bundesinnenministerium ausweichend. Zu dem konkreten Fall könne man sich nicht äußern, so ein Sprecher: „Insgesamt warnen wir ja sehr deutlich gerade vor dieser Gefahr der Spionage, auch der Angriffe auf demokratische Institutionen, auch auf Abgeordnete.“ 

Warum man es im konkreten Fall nicht tat, darüber kann derzeit nur spekuliert werden. Erachteten die Nachrichtendienstler die AfD für nicht so schutzwürdig? Fürchteten sie, eine Warnung der Partei könnte ihnen genauso auf die Füße fallen wie seinerzeit dem damaligen Behördenchef Hans-Georg Maaßen die bekanntgewordenen Gespräche mit der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry? Oder betrachteten die Verfassungsschützer den Arbeitgeber von G. weniger als Opfer einer chinesischen Einflußnahme denn als Komplizen?

Krah betonte jedenfalls in einem Posting in den sozialen Medien, die Bundesanwaltschaft habe gegenüber seinem Anwalt bestätigt, „daß ich nicht Verdächtiger in dem von ihr geführten Ermittlungsverfahren wegen Agententätigkeit bin, sondern ausschließlich mein ehemaliger Mitarbeiter“. Während der Spitzenkandidat in seiner sächsischen Heimat Wahlkampftermine absolvierte, gehen einige Verbände auf Distanz. In Hessen etwa wurden Auftritte bereits abgesagt. Auch aus Niedersachsen ist derzeit kein überregionaler Termin mit Krah bekannt.    Kommentar Seite 2