© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/24 / 03. Mai 2024

Frisch gepreßt

Hauptstütze Israels. Um seine Politik der „Westbindung“ zu erleichtern, suchte sich Konrad Adenauer Israel als Fürsprecher. Der noch junge Staat sollte helfen, die Juden, vor allem in den USA, „mit der deutschen Vergangenheit zu versöhnen“. Daher verpflichtete sich die Bundesrepublik 1952, „Wiedergutmachung“ von 3,45 Milliarden D-Mark zu zahlen. Zwei Drittel der Summe wurden in Investitionsgütern gezahlt, um die Industrialisierung des noch stark agrarisch geprägten Landes zu fördern. Wie Daniel Marwecki in seiner aus den Akten des Auswärtigen Amtes gespeisten Untersuchung über die Beziehungen Bonns zu Israel zeigt, bedeutete das für die vor einem „Wirtschaftswunder“ stehende deutsche Seite keinen großen finanziellen Aufwand, gerade einmal 0,2 des Bruttosozialprodukts. Für Israel hingegen sei das Luxemburger Entschädigungsabkommen „überlebenswichtig“ gewesen. Trotz der relativ geringen Summe entwickelte sich die Bundesrepublik damit, weit vor den USA, zum wichtigsten Helfer bei der Modernisierung Israels. Dieses Urteil bezieht Marwecki auch auf die 1957 eingefädelte militärische Zusammenarbeit und Lieferung von Rüstungsgütern. In groben Zügen ist diese Geschichte seit langem bekannt: Israel hilft auf internationalem Parkett bei der „moralischen Wiedergutwerdung der Deutschen“ und erhält im Gegenzug die Mittel, um sich als regionale Vormacht im Nahen Osten zu etablieren. Zum vielleicht spannendsten Teil dieses Geschäfts, der Frage, ob Bonn auch Israels Atomwaffenprogramm finanzierte, muß der Autor leider passen: „Einen endgültigen Beweis dafür gibt es nicht.“ (ob)

Daniel Marwecki: Absolution? Israel und die deutsche Staatsräson. Wallstein Verlag, Göttingen 2024, gebunden, 210 Seiten, 22 Euro





Vincenz Müller. Der Mohr hatte seine Schuldigkeit getan, der Mohr konnte gehen. Nachdem der frühere Wehrmachtsgeneral Vincenz Müller tatkräftig am Aufbau der Nationalen Volksarmee beziehungsweise zuvor der Kasernierten Volkspolizei mitgewirkt hatte, wurde er – wie alle früheren Offiziere der Wehrmacht – auf Beschluß des Politbüros von 1957 aus der NVA entlassen, da diese für den antifaschistischen Anspruch der Arbeiter- und Bauernarmee zu peinlich wurden. Sein Engagement in Stalins Nationalkomitee Freies Deutschland, wohin der Armeekorpsführer nach dem Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte im Sommer 1944 überlief, auch spätere Antifa-Schulungen, selbst sein Vizepräsidentenamt in der Volkskammer bis 1952 verschonten Müller nicht, der 1961 frustriert Suizid verübte. Der Historiker Peter Joachim Lapp hat jetzt seine Biographie über den facettenreichen General von 2003 auf den neuesten Stand gebracht. (bä)

Peter Joachim Lapp: Vincenz Müller. General in Wehrmacht und Volksarmee. Helios Verlag, Aachen 2024, gebunden, 277 Seiten, 25,50 Euro