© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/24 / 03. Mai 2024

Zweifelhafte Liebesgrüße aus Sofia
Wiedergeburt: Bulgariens Rechte will in der EU mitmischen, doch deren Haltung zu Moskau kann zum Problem werden
Paul Leonhard

Sie will mit der AfD in Brüssel sitzen – und in Sofia am Kabinettstisch mitbestimmen. Bei dem Treffen der EU-Parlamentsfraktion Identität und Demokratie (ID) im Dezember in Florenz wurde die Partei Wiedergeburt mit Jubel empfangen. Die größte bulgarische Nationalistenvereinigung fiel mit deutlichen Ansagen auf.

„Hier mag zwar nur ein Dutzend Parteien sein, doch dahinter stehen Abermillionen Europäer“, stimmte der Wiedergeburt-Chef Kostadin Kostadinow die Anwesenden auf die kommenden EU-Wahlen am 9. Juni ein. „Europäer, die keine Gäste im eigenen Haus sein wollen!“

„Einzige offen euroskeptische Kraft in Bulgarien“

Auch zu Hause spart der 45jährige nicht an markigen Worten und Forderungen. Sie sollten wissen, daß man auf dieser Tribüne „ausschließlich Bulgarisch zu sprechen hat“, richtete sich Kostadinow Ende Februar an den Abgeordneten der Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS), als sich dieser während einer Debatte über die EU-Wirtschaftspolitik an einem englischen Begriff versuchte.

Die der türkischen Minderheit nahestehende Partei nennt er ohnehin eine „ethnische Mafia-Organisation“. Und als Lösung für die historischen Konflikte mit dem benachbarten Nordmazedonien plädiert er für eine Vereinigung. Denn: Wäre der „zweite bulgarische Staat“ mit Sofia vereint, würde der „größte und stärkste Staat“ in Südosteuropa entstehen.

Nun hat Bulgarien vor allem mit innenpolitischen Problemen zu kämpfen. Parallel zur EU-Wahl soll die sechste Parlamentswahl seit 2021 stattfinden. Die Wiedergeburt will sich in einem politisch instabilen Umfeld als Königsmacher etablieren. „Wir sind bereit, uns als drittstärkste Kraft an den Verhandlungstisch zu setzen“, erklärte Kostadinow. Seine Partei hatte er im Jahr 2014 ins Leben gerufen. Im Herbst 2021 zog sie erstmals in die 240köpfige Nationalversammlung und konnte seitdem ihre Präsenz kontinuierlich verstärken. Inzwischen stellt sie mit 34 Abgeordneten die viertstärkste Fraktion. Aktuellen Umfragen zufolge erklären sich rund 15 Prozent bereit, der Wiedergeburt sowohl bei den EU-Wahlen als auch bei den Parlamentswahlen ihre Stimme zu geben. Damit könnte sie vier der insgesamt 17 bulgarischen Abgeordneten im EU-Parlament stellen. 

Mit Brüssel geht die Partei auf Konfrontationskurs. „Sie positioniert sich als einzige offen euroskeptische Kraft, was ihr bei den Europawahlen mehr Gewicht verleiht“, schätzte Soziologe Dobromir Schiwkow ein. So spricht sie sich gegen den für das kommende Jahr angesetzten Euro-Beitritt aus und will die EU-Verträge neu verhandeln. Der Beitritt im Jahr 2007 sei kein gutes Geschäft gewesen, beklagte Kostadinow: „Wir haben seitdem eine Million und zweihunderttausend Menschen verloren.“ Nach 17 Jahren EU-Mitgliedschaft bleibt das Land das ärmste im Staatenblock. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete bereits die Wiedergeburt Anfang März in einer Reihe mit der AfD, dem französischen Rassemblement National und der polnischen Konföderation als Partei, die „europäische Werte zertrampeln“ will.

Diesen hatte die Wiedergeburt eine Zusammenarbeit in der ID-Fraktion angeboten. Einer Politico-Projektion zufolge könnte die Vereinigung damit ein Teil des stärksten rechten Parteienblocks im EU-Parlament werden, welcher auf 83 Sitze käme.

Ein Streitthema bleibt die radikal antiwestliche Haltung der Bulgaren. „Die Nato ist zu einem Vasallen-Klub unter der Führung der US-Streitkräfte verkommen“, beklagte Kostadinow auf dem Rednerpult im Parlament am zwanzigsten Jahrestag des bulgarischen Bündnisbeitritts. Sofia sei nicht als gleichberechtigter Partner behandelt worden, sondern als ein besiegtes Land des ehemaligen Warschauer Pakts. Aktuell versucht die Wiedergeburt, vor allem mit Widerstand gegen ein geplantes Nato-Divisionshauptquartier im Südosten des Landes zu punkten.

Dagegen macht sie aus ihren Sympathien für Moskau keinen Hehl. „Am 3. März feiern wir alle die Befreiung von der türkischen Herrschaft, die mit Hilfe Rußlands erreicht wurde“, teilte Kostadinow am bulgarischen Nationalfeiertag mit. Die Wiedergeburt fordert ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine und hatte als einzige Vereinigung EU-weit eine Delegation zu einem Gipfel der Partei des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Januar entsandt.

Dies habe zu einem Streit mit der ID und zur Unterbrechung der Beitrittsgespräche geführt, berichtete die belgische Zeitung De Standaard Ende März. Innerhalb der Fraktion sieht man es anders. Diese sei in der Phase der Entscheidungsfindung, sagten interne Quellen der JUNGEN FREIHEIT. Einen Entschluß werde man erst nach der EU-Wahl fassen.