Von wegen „schönste Nebensache der Welt“. Derzeit beschäftigt der Fußball sogar das Bundesverfassungsgericht. Dort trafen vergangene Woche die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und das Land Bremen aufeinander. Sie streiten seit Jahren über die Frage, ob Profivereine an den Kosten für Polizeieinsätze bei besonderen „Hochrisikospielen“ beteiligt werden dürfen. Der Bremer Senat hat eine Gebührenverordnung erlassen, wonach bei gewinnorientierten Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Teilnehmern die Mehrkosten für Polizeieinsätze den Vereinen beziehungsweise der DFL in Rechnung gestellt werden können.
Entsprechende Bescheide hatte das Land Bremen seit dem Jahr 2015, anläßlich eines Derbys von Werder gegen den Hamburger SV, eingefordert. Die DFL hält diese Gebührenbescheide für rechtswidrig. Für Sicherheit und Ordnung sei allein der Staat zuständig. Insgesamt neun Rechnungen hat der Bremer Senat mittlerweile erstellt, gegen alle haben der SV Werder und die DFL Berufung eingelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte das Bremer Vorgehen im Jahr 2019 grundsätzlich für rechtmäßig eingestuft, dagegen ging die DFL vor. Nun wird Karlsruhe in einigen Monaten ein Urteil sprechen.
Wie gereizt die Stimmungslage ist, zeigte sich im vergangenen November vor dem Viertelfinale um den DFB-Pokal zwischen dem Drittligisten 1. FC Saarbrücken und Eintracht Frankfurt. Auch dieses wurde von der Polizei als „Rot-Spiel“ eingestuft. Der Polizeieinsatz nahm solche Ausmaße an, daß der Verkehr in der saarländischen Landeshauptstadt über Stunden zum Erliegen kann. Der sportpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Raphael Schäfer, forderte daraufhin, der Drittligist möge sich künftig an den Kosten beteiligen. Schließlich habe der Verein durch die Pokalerfolge Mehreinnahmen in Millionen-Höhe erzielt. „Der Verein ist aber nicht dafür zuständig, wenn die Polizei aus nicht nachvollziehbaren Gründen irgendwelche Straßen sperrt“, konterte ein FCS-Sprecher daraufhin und merkte an, daß der Verein bei einer Kostenbeteiligung ein Mitspracherecht bei der Gestaltung der Polizeieinsätze haben wolle.
Zusätzlich angeheizt hat das Thema auch eine Nachricht aus Niedersachsen. Dort ging es jüngst am Rande des Traditions-Derbys zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 ordentlich zur Sache. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) teilte daraufhin mit, sie wolle keine Gästefans mehr im Stadion sehen, wenn die verfeindeten Erzrivalen gegeneinander spielen. Sie akzeptiere das aggressive Verhalten einiger Chaoten aus den Kurven nicht mehr, sagte die SPD-Politikerin auf einer Pressekonferenz.
Organisierte Fans kontern mit Populismus-Vorwürfen
Zuvor hatte sich Behrens mit Vertretern beider Vereine getroffen. Trotz der ernsthaften Bemühungen der Vereine und trotz umfangreicher Maßnahmen der Polizei hätten ein massiver Einsatz von Pyrotechnik, erhebliche Sachbeschädigungen und verletzte Personen, darunter mehrere Polizisten erneut nicht verhindert werden können. Alle ergriffenen Maßnahmen, sowohl baulich, technisch als auch organisatorisch, hätten nicht zu einem spürbaren Erfolg geführt, teilte die Ministerin anschließend mit und sprach von einem „schwierigen Fazit“. Ihr Vorstoß kommt nicht ganz überraschend.
In Ländern wie Italien, wo sich die Gewaltspirale teilweise immer heftiger drehte, ist ein Ausschluß von Gästefans bereits an der Tagesordnung. Dort müssen sich die Vereine seit Jahren an den Polizeikosten beteiligen, worauf viele Städte ein „Reiseverbot“ erlassen.
Die Fan-Organisation „Unsere Kurve“ wies die Idee der niedersächsischen Ressortchefin als nicht zielführend zurück. „Mit der Forderung der Einführung von Kollektivstrafen stellt Ministerin Behrens ihre komplette Unwissenheit der Sachlage zur Schau“, teilte die Organisation mit. Behrens wolle sich als „Law-and-Order-Politikerin“ gerieren. Fan-Vertreter wiesen zudem darauf hin, daß in den Stadien selbst in aller Regel nur noch vom Verein engagierte Sicherheitsfirmen im Einsatz seien. Die Sicherheit in den öffentlichen Räumen sei Sache der Polizei, worauf weder Vereine noch DFL einen Einfluß hätten. Eine Entscheidung in Karlsruhe dürfte frühestens in einigen Wochen fallen.