© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/24 / 03. Mai 2024

Illusion der Woche
Der Scholz-Bonus
Lorenz Bien

Bislang sei Kanzler Scholz lediglich zu leise gewesen, zu beschäftigt damit, Probleme aus dem Weg zu räumen. Doch wenn die Bundestagswahl 2025 näher rückt, werde er endlich kommen, der „Kanzlereffekt“. So schilderte es die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Serpil Midyatli diese Woche der Deutschen Presse-Agentur. Gut, was soll sie auch sonst sagen. „Läuft gerade nicht so pralle“ wäre vielleicht ehrlicher gewesen, aber der Parteibasis wohl kaum vermittelbar. Wenn es einen Kanzlereffekt gibt, scheint er jedenfalls nicht zugunsten von Olaf Scholz zu wirken. Laut den Umfragewerten von Statista ist Scholz derzeit unbeliebter als Markus Söder und Boris Pistorius. Ja sogar die Koalitionspartner Habeck und Baerbock überflügeln ihn. Dabei sind die Grünen, sofern man nicht nach Personen, sondern nach der Partei fragt, eigentlich verhaßter als die SPD. Auch vor der 2021er Wahl habe Scholz erst kurz zuvor in der Wählergunst zugelegt, schob Midyatli noch erklärend hinterher, wohl absichtlich vergessend, daß dies wohl eher den zahlreichen Fauxpas seines Konkurrenten Armin Laschet (CDU) geschuldet war. Als schweigsam und eigentlich inhaltslos galt der Sozialdemokrat bereits damals vielen Beobachtern.

Vielleicht wird sein Weg langfristig eher dem seines Parteigenossen Martin Schulz ähneln – ein SPDler, dessen kurzfristiger Erfolg in erster Linie ein Ausdruck verzweifelter Wähler war, ins Blinde projizierte Hoffnung, ein mit hastigen Pinselstrichen hingekritzelter Staatsmann, der sich als Strichmännchen entpuppte. Olaf Scholz sphinxhafte Schweigsamkeit bietet immerhin ein wenig mehr Projektionsfläche als die freundliche Onkeligkeit eines Schulz; genug jednefalls um ihm ins Kanzleramt verholfen zu haben. Doch zur Wiederwahl dürfte es vermutlich noch ein wenig mehr brauchen.