Für viele ist Berlin nur noch der Bundeshauptslum, ein Großstadtmoloch, in dem zwischen omnipräsentem Dreck und herumschreienden Psycho-Junkie-Penner-Dieben alles wächst und gedeiht, vor dem man die eigenen Kinder bewahren will. Ein kopfschüttelnd belächeltes und gleichermaßen gefürchtetes, außer Kontrolle geratenes Gesellschaftslabor, in dem das freigelassene Wokeness-Virus von Kreuzberg aus erst die ganze Stadt überwuchert und bald das ganze Land erreicht hat. Und trotzdem wollen komischerweise viele unbedingt dort hin. Dabei hat Berlin mehr zu bieten als Wohlfühlfreiluftgehege für Linke und Migranten. Es gibt sie noch, gerade im Frühling: die schönen, konservativ anmutenden Orte und Wege.
Rheingauer Weinbrunnen
Eine kleine lampionerleuchtete Ausschankbude unter grünen Bäumen, einige Biergarnituren oberhalb des Siegfriedbrunnens, auf denen die vielen Einheimischen selbst mitgebrachte Speisen naschen, sowie eine Aussicht auf die von den Nachbarn mitgepflegten üppigen Blumenbeete des Rüdesheimer Platzes: fertig ist eine kleine Oase, in der tatsächlich schlaraffenlandartig Trauben durch die Luft zu schweben scheinen. Den dazugehörigen Kiez mit den bürgerlichen Altbauten wählte selbst die New York Times vor wenigen Jahren zu einem der schönsten Straßenzüge Europas.
Spaziergang zum Flensburger Löwen
Eine Bootsfahrt auf dem Wannsee ist ein Touri-Klassiker, der zu Schlangen an den Anlegestellen führen kann. Warum nicht einen kleinen Spaziergang vom S-Bahnhof durch die Villen-Colonie Alsen zum Flensburger Löwen schräg gegenüber vom berühmten Strandbad? Für den Koloniegründer und Gußauftraggeber Wilhelm Conrad ein Symbol des preußischen Sieges über die Dänen. Unterhalb des Denkmals läßt sich ein kleines (Motor)Boot für eine private Rundfahrt ausleihen, daneben im Restaurant „Haus Sanssouci“ speisen. Und wer mit dem Fahrrad unterwegs ist, kann zur Pfaueninsel, zum Blockhaus Nikolskoe oder zum Schloß Glienicke vor den Toren Potsdams weiterziehen.
Luise-Mausoleum
Vor dem Schloß Charlottenburg brausen die Autos über die mehrspurige Straße. Dahinter tut sich ein Kleinod auf, obwohl das Wort „klein“ nicht zum Schloßgarten paßt, der unabhängig der Veranstaltungen in den Flügeln der Hohenzollern-Sommerresidenz ganzjährig zum Flanieren einlädt. Neben dem pittoresken großen Karpfenteich liegt das Mausoleum für die im Volk sehr beliebte und jung verstorbene Königin Luise, die Mutter des ersten deutschen Kaisers Wilhelm I. Als Absacker von der besinnlichen Ruhe lohnt eine Tour durch die zahlreichen klassischen Kneipen und Gaststäten Charlottenburgs bis zum Savignyplatz: vom „Wilhelm Hoeck 1892“ über „Rogacki Delikatessen“ bis zum „Diener Tattersall“ und vielen mehr; jeder nach seiner Bier-Façon.
Frühstück im Adlon oder Ritz
Des Berliners Champagner ist laut Franzosen der napoleonischen Besatzung die Weiße, das eigentlich urtypische Bier der Hauptstädter – bitte den roten oder grünen Sirup-Klimbim weglassen. Aber das Original aus dem Westen kann man sich auch mal gönnen. Zum Beispiel bei einem ausgiebigen Wochenendfrühstück im Hotel Adlon oder Hotel Ritz mit Champagner satt. Und wem auch die Beine prickeln, kann sich auf die Spuren der Siegesallee im Tiergarten begeben. Der Schaumwein bietet dafür vielleicht die nötige Phantasie, denn die Marmordenkmäler der Preußen-Herrscher wurden nach dem Zweiten Weltkrieg abgebaut. In der Zitadelle Spandau werden sie seit 2016 allerdings wieder präsentiert.
Domäne Dahlem
Berlin kann tatsächlich auch ein Dorf sein; inmitten des FU-Campus. Unweit des sehenswerten und großräumigen Botanischen Gartens am reetgedeckten U-Bahnhof Dahlem-Dorf erstreckt sich das Landgut Domäne Dahlem. Neben Schmiede, Museum und Herrenhaus (das älteste Wohnhaus Berlins) wird hier Ackerbau, Obst- und Gemüsebau sowie Tierhaltung betrieben. In den umliegenden Biergärten und auf den Märkten, insbesondere in der beliebten Adventszeit, vermischen sich Öko-Hipster und Bio-Bourgeoisie mit Verbindungsstudenten und alteingesessenem Bürgertum.
Rennbahn Hoppegarten
Stellvertretend für das Brandenburger Umland sei die Rennbahn Hoppegarten genannt. Also frei nach einem Berliner Gassenhauer: Pack das Tweedsakko ein, nimm dein kleines Schwesterlein, und dann nischt wie raus zum Pferderennen. Auf den Sattelplätzen kann man die beeindruckenden Tiere schnaufen hören und das aufgewirbelte Gras riechen. In den Logen heißt es „sehen und gesehen werden“, gern mit Feldstecher und Hut. Und auf einigen Rasenflächen kann man sich mit dem eigenen Picknickkorb ausbreiten, um sich von der Spannung und den Wettverlusten zu erholen.
Foto: Das Mausoleum im Schloßgarten Charlottenburg: Ein Tempel für Königin Luise