© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/24 / 26. April 2024

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Johann Wolfgang von Goethe geht zum Einstieg immer: „Die Natur hat uns das Schachbrett gegeben, aus dem wir nicht hinauswirken können, noch wollen; sie hat uns die Steine geschnitzt, deren Wert, Bewegung und Vermögen nach und nach bekannt werden; nun ist es an uns, Züge zu tun, von denen wir uns Gewinn versprechen“, meinte der Dichterfürst in seinen „Maximen und Reflexionen“. Wie eine Antwort darauf klingt ein Aphorismus zur Lebensweisheit des etwas jüngeren Philosophen Arthur Schopenhauer: „Es ist im Leben wie im Schachspiel. Wir entwerfen einen Plan; dieser bleibt jedoch bedingt durch das, was im Schachspiel dem Gegner, im Leben dem Schicksal zu tun belieben wird.“


In Toronto ist soeben das Kandidatenturnier zur Bestimmung des Herausforderers von Schachweltmeister Ding Liren zu Ende gegangen. Für die Fachwelt überraschend gewonnen hat der erst 17jährige Dommaraju Gukesh aus Indien. Er ist damit der jüngste Sieger in der Geschichte der Kandidatenturniere und darf nun nach seinem Triumph gegen den Chinesen Liren antreten. Würde Gukesh auch den Titelverteidiger am Brett bezwingen, wäre er ebenso der jüngste Schachweltmeister aller Zeiten. Bislang ist es Garri Kasparow, der 22 Jahre alt war, als er 1985 den Titel gewann. Wann und wo die nächste Weltmeisterschaft stattfindet, will der Weltschachverband Fide allerdings erst noch bekanntgeben.

„Kunst und Schach sind nur verschiedene Felder, in denen dieselbe Poesie Ausdruck findet.“ (Wladimir Kramnik, russischer Schachweltmeister von 2000 bis 2006)

Schach: Bobby Fischer und Boris Spasski spielten 1972 in Reykjavik das „Match des Jahrhunderts“.

Rückblende: Es muß in meinen ersten Grundschuljahren gewesen sein, als mein Opa mir Schach beibrachte. Mir ist noch der Name Bobby Fischer geläufig, und ich verfolgte rudimentär Robert Hübners Anläufe zur Weltmeisterschaft. Unvergessen bleiben mir auch Lektüren wie „Carl Haffners Liebe zum Unentschieden“ (1998). In seinem Debütroman erzählt Thomas Glavinic von der Schachweltmeisterschaft im Jahre 1910 mit dem einzigen deutschen Titelträger Emanuel Lasker. Oder Berta Henrichs’ Roman „Die Schachspielerin“ (2006) über ein einfaches Zimmermädchen in einem Hotel auf der griechischen Insel Naxos, das erst dank einer Unachtsamkeit und dann allen Widrigkeiten zum Trotz das Schachspiel erlernt. Und ich empfehle natürlich Bücher über Bobby Fischer, „das größte Genie, das je vom Schachhimmel heruntergestiegen ist“ (Michail Tal, Schachweltmeister 1960/61). Zum einen die fundierte Biographie „Bobby Fischer: Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende“ von Frank Brady (Riva 2016). Der Autor ist Gründungsmitglied des Schachmagazins Chess Life und lehrte als Professor für Kommunikationswissenschaft an der St. John’s University in New York. Zum anderen das Buch „Wie Bobby Fischer den Kalten Krieg gewann“ (DVA 2005) von David Edmonds und John Eidinow. Es handelt von der berühmten Schachweltmeisterschaft zwischen Fischer und dem damals amtierenden russischen Weltmeister Boris Spasski 1972 in Reykjavik. Es war das „Match des Jahrhunderts“.