© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/24 / 26. April 2024

Zeitschriftenkritik: Ruperto Carola
Was ist richtig, was ist falsch?
Werner Olles

Das zweimal jährlich erscheinende Forschungsmagazin der Universität Heidelberg, Ruperto Carola, beschäftigt sich in seiner aktuellen Ausgabe (Nr. 23, Februar 2024) inhaltlich mit den Schwerpunktthemen Künstliche Intelligenz und der komplexen Frage nach „richtig und falsch“. Herausgegeben von der neuen Rektorin der Universität, Frauke Melchior, schlagen die Beiträge des Magazins aus verschiedenen Wissenschaftszweigen einen Bogen von der ältesten bekannten Fälschung der Menschheitsgeschichte aus der Zeit der Herrscher von Assyrien und Babylonien bis zu drängenden Problemen der Gegenwart wie dem heftigen Streit um „richtige“ und „falsche“ Wörter. 

Die Theologin Friederike Nüssel und der Physiker Manfred Salmhofer sprechen über die Genese von Wissen durch Theorien und Empirie, über die Notwendigkeit, die eigenen Vorstellungen kritisch zu hinterfragen, sowie über die Frage, was wir wirklich wissen können. So könne man in bestimmten Kontexten definitiv feststellen, ob etwas richtig oder falsch ist. Beispielsweise zeige an der Erdoberfläche die Schwerkraft nach unten, und wenn jemand das Gegenteil behaupte, so sei dies falsch. In der Philosophie und Theologie stelle sich hingegen immer wieder neu die Frage, was man als verläßlich geltend ausweisen könne. So kam in der Lutherforschung im 20. Jahrhundert die Frage auf, ob die Thesen wirklich am 31. Oktober 1517 angeschlagen wurden. Bis heute lasse die Quellenlage unterschiedliche Schlüsse zu, und damit sei die Frage nach dem historischen Grund für die Bedeutung, die dieses Datum in der Reformationsgeschichte gewonnen habe, umstritten. Doch auch in den Naturwissenschaften sei die Lehrmeinung nicht immer korrekt, daher müsse man immer wieder versuchen, Menschen mit Argumenten dazu zu bringen, ihre Meinung zu hinterfragen, Gegenargumente kennenzulernen und in einen vernünftigen Austausch zu kommen.

Philipp Brüllmann, Professor für antike Philosophie, stellt klar, daß in der ethischen Theorie des Aristoteles die Unterscheidung, was richtig oder falsch ist, noch keine Rolle spielte. Aristoteles Tugendethik wurde erst fast 300 Jahre später durch Ciceros „De officiis“ neu entdeckt, indem Cicero seine Aufmerksamkeit gerade auf die Fehler richtete, die wir in unseren Entscheidungen typischerweise begehen. Damit näherte er sich dem moralisch Richtigen über das moralisch Falsche, weil er anders als Aristoteles die Hilfe bei der Bestimmung des Richtigen als zentrale Aufgabe der philosophischen Ethik erkannte.

Weitere Themen im Heft: „Praktiken von Moralisierung und Entmoralisierung“, „Wie Überzeugungen entstehen“, „Propaganda im politischen Theater der Moderne“ und „Im Gespräch mit ChatGPT“.


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