Daß sie hinschmeißt, ist verständlich. Es sei wie ein „Hase-und-Igel-Spiel“, sagt die wahrscheinlich berühmteste Staatsanwältin Deutschlands, Anne Brorhilker. Auch elf Jahre nach Bekanntwerden der ersten CumEx-Fälle habe die Politik noch immer nicht hinreichend reagiert.
Heute gebe es Nachfolgemodelle. Der Steuerklau gehe weiter, erklärt die 50jährige dem WDR. Das sei letztlich auch der Grund, warum sie bei der Generalstaatsanwaltschaft eine „Bitte um Entlassung aus dem Beamtenverhältnis“ eingereicht habe. Sie wolle, wie ein Arzt, „nicht mehr länger einzelne Kranke behandeln, sondern in die Forschung gehen, um eine Therapie zu entwickeln, das Übel quasi an der Wurzel zu fassen“.
Das Übel, das sind über 120 Fallkomplexe aus mehr als 1.700 Beschuldigten, Männer und Frauen mit viel Geld und Macht. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz, Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher oder der Bankeranwalt Hanno Berger tauchen in den Akten immer wieder auf. Scholz hat seine mögliche Beteiligung zwar vergessen, auch sein Kalender mit den Daten, die seine Treffen mit zuständigen Bankern etwa der Warburg Bank bezeugen oder widerlegen könnten, ist verschwunden. Je nach Rechnung sind dem Fiskus bis zu 30 Milliarden Euro durch unklare Gesetze, ungenügende Überwachung und noch nicht nachgewiesenem vorsätzlichem Desinteresse der zuständigen Finanzpolitiker verloren gegangen.
Zuletzt sollte die von ihr geleitete Hauptabteilung der Kölner Staatsanwaltschaft Ende 2023 aufgeteilt werden. Ein medialer Sturmlauf gegen den Entzug der Hälfte ihrer Untergebenen setzte ein. In der Folge entschied sich der grüne Justizminister Nordrhein-Westfalens nochmals um und beließ die Kräfte unter der Ägide der einzigen Staatsanwältin, die seit 2012 in der Angelegenheit ermittelte. In der Summe zeigt das, Deutschland ist nicht an einer Aufklärung darüber, wo genau die Steuermilliarden versickern, interessiert.
Brorhilker wolle nun als Geschäftsführerin der 2018 gegründeten Nichtregierungsorganisation Finanzwende gegen Finanzkriminalität kämpfen. Hauptthemen des zu 68 Prozent aus Mitgliedsbeiträgen finanzierten Vereins sind Verbraucherschutz, Kampf gegen Geldwäsche und CumEx.