Den „Nexit“, den Ausstieg aus dem Euro zugunsten einer eigenen Währung, strich Geert Wilders aus dem Parteiprogramm für die Europawahl. Auch die von ihm lange geforderten Anti-Islam-Gesetze, die von Koran- und Kopftuchverboten bis hin zu Moschee-Schließungen reichten, sind vorerst ad acta gelegt. Dabei waren alle diese Forderungen nicht nur bei der Europawahl 2019, sondern auch noch bei der Parlamentswahl im November 2023 vorhanden.
Geert Wilders entschärft also das Profil seiner Partei für die Freiheit (PVV). Denn noch ist die Regierungsbildung in den Niederlanden nicht abgeschlossen. Als Zeitfenster hierfür gilt jetzt Mitte Mai. Und Wilders, der große Wahlsieger vom November, hofft, in der künftigen Regierung zumindest als stellvertretender Ministerpräsident Berücksichtigung zu finden.
Und so liest sich das Parteiprogramm der PVV für die Europawahl ziemlich handzahm. In ganz Europa, so die Präambel, wehe ein Wind der Veränderung. Parteien, die deutlich weniger Einwanderung und Asyl wollten und die Interessen ihrer eigenen Menschen verteidigten, seien deutlich auf dem Vormarsch. Die nationale Souveränität der Niederlande soll wieder an erster Stelle stehen. Eine Zusammenarbeit mit anderen Ländern sei prima, müsse aber immer unter das Primat der eigenen Identität und Souveränität gestellt werden.
Derzeit hat Wilders’ PVV keinen Sitz im Europaparlament
Auch die Massenzuwanderung, in früheren Wahlmanifesten sprach Wilders von „dem anhaltenden Asyl-Tsunami“, die auch in den Niederlanden zu großen Verwerfungen führt, soll durch eine Opt-out-Klausel nach dänischem Vorbild begrenzt werden. Heißt, die Niederlande können eine unabhängigere Migrationspolitik von der EU machen und von Bestimmungen aus Brüssel abweichen. Eine intensive ökonomische Zusammenarbeit in Europa ist wünschenswert, einen europäischen Superstaat hingegen lehnt die PVV ab. Die Ukraine soll militärisch unterstützt werden. Künftig soll weniger niederländisches Geld in die EU fließen, schließlich seien die Niederlande seit den neunziger Jahren Nettozahler der Union.
Derzeit ist die PVV nicht im Europaparlament (EP) vertreten. Ihr einziger Abgeordneter, Marcel van der Graaf, hatte im Januar 2022 zum Forum für Demokratie (FvD) gewechselt, weil er die eindeutige Befürwortung der Corona-Impfung durch seinen Parteichef nicht mittragen wollte. Sein Versuch, nun über einen flämischen Ableger des Forums wieder in das Europaparlament einzuziehen, scheiterte, da die dafür nötigen 5.000 Unterstützer-unterschriften nicht zusammengebracht wurden. Die PVV kann im Moment darauf hoffen, neun von 31 niederländischen Sitzen im EU-Parlament zu erobern.
Wie das bei der Partei, die nur über ein einziges Mitglied verfügt, funktioniert, kann auf der Webseite nachverfolgt werden: „PVV sucht Kandidat“ heißt es dort. Mit Motivationsschreiben und Lebenslauf war eine Bewerbung möglich. Spitzenkandidat der PVV ist Sebastiaan Stöteler aus Almelo, der Fraktionsvorsitzender in der Provinz Overijssel und in seiner Gemeinde ist. Relativ unbekannt sind auch alle weiteren Kandidaten der PVV.
Das beherrschende Thema für die EU-Wahl ist die Immigration, weit abgeschlagen dahinter folgen Klimawandel, Sicherheit und Landwirtschaft.
Eine hohe Wahlbeteiligung kommt Wilders zugute
Die Niederlande gewinnen im Vergleich zu 2019 im Europaparlament fünf Sitze hinzu und kommen nun auf 31. Während 2019 nur 42 Prozent der Niederländer zur Wahl gingen, beabsichtigen nun die Hälfte der Berechtigten, zur Wahl zu gehen. Eine hohe Wahlbeteiligung, da sind sich die Meinungsforscher einig, sorgt für noch mehr PVV-Stimmen.
Der Neue Sozialvertrag (NSC) von Pieter Omtzigt muß nach seinem unübersichtlichen Taktieren bei der Regierungsbildung für das niederländische Parlament, um Stimmen kämpfen. Nur noch jeder sechste, der im November NSC wählte, will das auch bei der Europawahl tun. Für ein Mandat dürfte dies nicht reichen. Auch das FvD, 2019 mit drei Sitzen im EP vertreten und nach dem Brexit um einen vierten bereichert, hat alle Mandatsträger durch deren Wechsel zur FvD-Abspaltung JA21 verloren. Die Wahlhürde von 3,22 Prozent dürfte auch das Forum nicht erreichen.
Lediglich die Bauernbürgerbewegung (BBB)von Caroline van der Plas darf auf einen Sitz im EP hoffen. Deren Spitzenkandidat Sander Smit hat viele Jahre für die EVP-Delegation gearbeitet, entsprechend ist ein Anschluß an diese Fraktion der Wunsch der BBB.
Wilders’ PVV kooperiert auf der EU-Ebene mit Marine Le Pens französischem Rassemblement National, der FPÖ, Matteo Salvinis italienischer Lega Nord und der AfD. Zusammen mit der PVV werden sie nach den Europawahlen die Fraktion „Identität und Demokratie“ im Europäischen Parlament bilden.