© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/24 / 26. April 2024

Geachtet, geschmäht, vergessen
Steffen Heitmann gestorben: Mit ihm hätte ein konservativer Christ der erste gesamtdeutsche Bundespräsident werden können
Helmut Matthies

Politik und Medien können grausam und vergeßlich sein. Das zeigt die Laufbahn des einstigen Wunschkandidaten von Kanzler Helmut Kohl und der Union für das Amt des Bundespräsidenten: Steffen Heitmann. Er starb am 14. April in Dresden. Erst sechs Tage später erfuhr die Öffentlichkeit von seinem Tod. 

Vor über 30 Jahren bestimmte er noch die Schlagzeilen, als eine linke Medienkampagne ihn zur Aufgabe trieb. Einstimmig wurde Steffen Heitmann – damals 49 – am 1. Oktober 1993 von CDU und CSU zum Kandidaten für die Nachfolge von Richard von Weizsäcker als Bundespräsident nominiert. Dafür gab es viele Gründe. So ist der Theologe und Kirchenjurist stets ein Gegner des SED-Regimes gewesen. Als Oberkirchenrat der sächsischen Landeskirche gehörte er zu den tonangebenden Christen in der Bürgerrechtsbewegung.

1990 berief der erste sächsische Ministerpräsident nach dem Sturz der Diktatur, Kurt Biedenkopf (CDU), den zunächst parteilosen Heitmann zum Justizminister. Bundeskanzler Helmut Kohl war derart von ihm angetan, daß er ihn als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten vorschlug. Aufgrund der Stimmenverhältnisse galt seine Wahl als sicher.

„Noch nie so fremd im eigenen Land gefühlt“ 

Doch Heitmann wagte es, Tabus anzusprechen. So hob er die Bedeutung der Mutter für die Erziehung von Kindern hervor, nachdem es zu DDR-Zeiten üblich war, schon Säuglinge in der Tageskrippe abzugeben. Er wandte sich gegen Abtreibungen und bezeichnete die Zehn Gebote als wichtig für eine grundlegende Erneuerung Deutschlands. Gleichzeitig kritisierte er auch die Idee einer multikulturellen Gesellschaft. Daraufhin brach ein Sturm der Entrüstung in linksorientierten Medien und im Fernsehen los. Am schlimmsten trieb es die Süddeutsche Zeitung. Um ihre Gegnerschaft zu einer Kandidatur Heitmanns zu demonstrieren, war sie sich nicht zu schade, auf dem Titelblatt ihres damaligen Magazins Heitmanns Gesicht in einer Weise zu verzerren, als ob er ein KZ-Schlächter wäre. Der Mediendienst „rundy“ kritisierte das damals zu Recht als „ganz im Stil der nationalsozialistischen Postille Stürmer“. Heitmann gab auf, Roman Herzog wurde Bundespräsident.

Kanzler Kohl bezeichnete die Medienkampagne gegen Heitmann als einen „ungeheuren Vorgang in der deutschen Geschichte“. Der Fuldaer Erzbischof Johannes Dyba meinte, Heitmann sei von den Medien „auf grausamste Weise zerstückelt worden“. Heitmann blieb bis 2000 Justizminister und bis 2009 Landtagsabgeordneter. Ende 2015 ist er aus der CDU ausgetreten. In einem Brief an die seinerzeitige Parteivorsitzende Angela Merkel begründet er seinen Entschluß mit der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, die dafür verantwortlich sei, daß „täglich Tausende Ausländer, überwiegend junge Männer islamischer Religion“, unkontrolliert nach Deutschland strömten. Er schließt mit den Worten: „Ich habe mich noch nie – noch nicht einmal in der DDR – so fremd in meinem Land gefühlt.“ 

Es spricht für die sächsische CDU, daß nach Heitmanns Tod wenigstens Ministerpräsident Michael Kretschmer ihn als einen „der Väter unserer sächsischen Verfassung“ würdigte: „Er bleibt uns nicht nur als exzellenter Jurist, sondern auch als angesehener Theologe in Erinnerung.“ Landtagspräsident Matthias Rößler (CDU) bezeichnete ihn als „eine der zentralen Figuren der Friedlichen Revolution in Dresden“.

Heitmann war 58 Jahre mit seiner Frau Christine, einer erfolgreichen Bildhauerin, verheiratet. Er litt in den letzten Jahren schwer an Parkinson. Der 79jährige äußerte vor seinem Tod: „Ich weiß nicht, warum Gott mir das zumißt. Aber ich vertraue ihm.“ Die Todesanzeige in der FAZ zitiert Psalm 23: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“