© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/24 / 26. April 2024

„Die Opfer sind immer Ungläubige“
Islamismus: Scharia-Anhänger verbreiten unter Jugendlichen Angst und Schrecken / Reportage Teil 2
Hinrich Rohbohm

Schicksale wie das von Sabrina E., die – wie  im ersten Teil dieser Reportage geschildert – von islamistischen Mitschülern gemobbt wurde (JF 17/24), sind keine Einzelfälle. Auch Larissa S. (Name geändert) hat die Brutalität erlebt, zu der junge Islamisten hierzulande an Schulen fähig sind. Und „die Ohnmacht, dagegen etwas zu tun“, wie sie sagt. Die heute 18jährige ist froh, daß diese Phase hinter ihr liegt. 

Vier Jahre ist es her, seit sie Onur kennengelernt hatte, einen Deutsch-Türken, drei Jahre älter als sie. „Ich war 14 und war mit zwei Freundinnen zusammen bei McDonalds zum Essen und Chillen“, erinnert sie sich an die erste Begegnung mit jenem Mann, der ihr Leben über mehrere Jahre bestimmen und sie in Angst und Schrecken versetzen sollte. 

„Wir hätten beide unterschiedlicher kaum sein können“, erzählt sie. Sie, die blonde, attraktive Gymnasiastin aus dem vornehmen Bremer Stadtteil Oberneuland, aus gut betuchtem Hause. Er, der Gesamtschüler aus Tenever, einem Brennpunktviertel der Weser-Metropole, Sohn türkischer Einwanderer aus Ostanatolien. „Er war älter als ich und fragte, ob er und seine Freunde sich zu uns setzen dürften.“ Er durfte. „Er und seine Kumpels waren absolut höflich und wirkten richtig wohlerzogen, es entwickelte sich ein nettes und absolut sympathisches Gespräch“, schildert Larissa die erste Begegnung.

„Er schlug mich und  verbot mir, auszugehen“

Einer seiner Freunde habe bereits ein Auto gehabt. „Ein BMW-Cabrio. Das war für uns damals der Hammer. Es war Sommer, und Onur fragte, ob wir Lust auf einen Ausflug an die Nordsee hätten. Für uns war das natürlich obercool“, sagt Larissa heute mit einem leichten Schmunzeln. Sie hätten sich umschmeichelt gefühlt. „Sie rissen tolle Sprüche, machten nette Komplimente.“ Es sei ein toller Tag gewesen. Die Sonne. Das Meer. Der blaue Himmel. Der Fahrtwind im Cabrio. „Wir hatten eine Menge Spaß. Onur und seine Leute waren uns gegenüber total aufmerksam und zuvorkommend, benahmen sich wie Gentlemen.“ Nur eine ihrer Freundinnen sei schon damals stutzig geworden. „Wieso können die sich so einen Wagen leisten?“, habe sie noch skeptisch gefragt.

„Aber damals haben wir das Offensichtliche nicht sehen wollen, wir waren naiv und ließen uns von der tollen Stimmung treiben. Sie und Onur seien sich dann nähergekommen, aus dem Ausflug wurde eine Beziehung. „Er las mir jeden Wunsch von den Augen ab, gab mir ein wahnsinnig tolles Gefühl von Schutz und Sicherheit.“ Daß er seinen islamischen Glauben sehr ernst nimmt, sei ihr zwar schon damals aufgefallen. „Aber wie stark er seiner Religion nacheiferte, ist mir erst später klargeworden.“

Larissa toleriert es zunächst. „Er wirkte hochanständig, wollte sich sogar bei meinen Eltern vorstellen.“ Die seien ebenfalls begeistert von dem höflichen jungen Mann gewesen. Ihrer Mutter hatte er Blumen mitgebracht. „Sie war begeistert.“ Es folgen „wunderbare Wochen, in denen er mich auf Händen trug.“

Anfangs habe sie nicht bemerkt, wie ihr neuer Freund immer vereinnahmender wird. Wie er sie überredet, Termine abzusagen. „Selbst als er mir ein Kopftuch schenkte und sagte, ich müsse das jetzt immer tragen, wurde ich noch nicht stutzig.“ Es sei ein schleichender Prozeß in die Abhängigkeit gewesen. „Ich mußte immer mehr Zeit mit ihm verbringen, sonderte mich von meinen Mitmenschen immer mehr ab.“ Als sie eines Tages darauf bestand, endlich mal wieder einen Samstagabend mit ihren Freundinnen zu verbringen, sei es zum Streit gekommen. „Er schlug mich und verbot mir, auszugehen.“

Immer stärker habe er ihre Freiräume einschränken wollen. „Er holte mich jeden Tag von der Schule ab, brachte mich nach Hause und holte mich wieder ab, wenn ich mit meinen Hausaufgaben fertig war. Meine Eltern waren immer noch begeistert von ihm, aber ich fühlte mich zunehmend eingeengt.“ Vieles habe sie noch hingenommen. Er hatte sie aufgefordert, kein Schweinefleisch mehr zu essen; später dann auch, den Fastenmonat Ramadan zu respektieren. „Ich mußte immer mehr Dinge tun, die ich eigentlich gar nicht tun wollte.“

Irgendwann habe der Trotz gesiegt. „Eine Freundin rief mich an, ob wir uns nicht mal wieder sehen könnten. Wir verabredeten uns fürs Kino und wollten anschließend in die Disco.“ Onur habe getobt. „Du gehst nicht“, habe er sie angeschrien. „Du kannst mich nicht herumkommandieren“, habe sie zurückgeschrien. „Daraufhin schlug er mich zusammen.“ Tritte. Faustschläge. Larissa sagt ihren Termin mit der Freundin ab. „Ich hatte Verletzungen im Gesicht, hatte Blutergüsse.“ Ihren Eltern habe sie erzählt, es sei ein Unfall gewesen. Aus Angst vor Onur. „Er hatte gedroht, ihnen etwas anzutun, sollte ich etwas sagen.“ Aus der Beziehung wird ein Abhängigkeitsverhältnis. „Ich durfte keine zu kurzen Klamotten mehr tragen, durfte mich nicht mehr schminken, nur noch selten aus dem Haus gehen. Auch die Schule sollte ich nun schwänzen.“ Wenn er verhindert gewesen sei, habe immer einer seiner Freunde auf sie „aufgepaßt.“ 

Erst allmählich wird Larissa bewußt, daß Onur und seine Freunde bedingungslose Anhänger der Scharia sind. „Ich hatte mich mit so etwas zuvor kaum beschäftigt. Als mir klar wurde, daß ich es mit religiösen Fanatikern zu tun habe, war es fast schon zu spät.“

„Welchen Glauben du hast, spielt eine entscheidende Rolle“

Schließlich vertraut sie sich doch ihren Eltern an, auch ihrem Klassenlehrer erzählt sie von ihren Problemen. Die Polizei wird eingeschaltet. Onur und seine Freunde seien dort keine Unbekannten gewesen. Drogen. Raub. Körperverletzung. Larissa beginnt zu recherchieren, sucht Kontakte zu Schülern, die ähnliche Erfahrungen machten. Und wird fündig. „Einige wurden von Islamisten regelrecht gemobbt, nur weil sie sich nach deren Meinung nicht Scharia-gerecht verhalten haben.“ 

Bei all den Mobbing-Attacken unter Schülern müsse man viel stärker hinschauen, ob sich dahinter nicht religiöse Motive verbergen, warnt sie heute. Motive, die nach  Recherchen der JUNGEN FREIHEIT auch bei den Mobbing-Attacken in der schleswig-holsteinischen Stadt Heide zumindest teilweise eine Rolle gespielt haben könnten. Vor einer Einkaufspassage auf dem Südermarktplatz treffen sich regelmäßig Jugendliche im Alter zwischen 13 und 16 Jahren. Deutsche ebenso wie Ausländer, die überwiegend aus islamischen Ländern stammen. Letztere seien etwas älter, würden als „Beschützer“ oder „Chefs“ der einzelnen Jugendgruppen fungieren.

Vor einem Jahr hatte es hier noch eine Demonstration gegen Mobbing gegeben, nachdem ein junges Mädchen auf übelste Weise mißhandelt worden war (JF 14/23). Besser geworden ist es seitdem nicht. Immer wieder kommt es an der Einkaufspassage oder am Bahnhof zu Schlägereien durch Jugendbanden. Schon damals berichteten die Jugendlichen der JF,  daß einige der „Kanaken“, wie sie die Ausländer dort nennen, als ihre „Beschützer“ fungieren würden. „Einige Schüler aus diesen Ländern verabreden sich hier regelmäßig zum ‘Ungläubige abziehen’“ erzählt einer der Jugendlichen, als die JF sich dort ein Jahr später erneut unter ihnen umhört. Handys würden gestohlen, Bargeld geraubt. Manchmal würden sie dazu auch andere Jugendliche anstiften, die dann die „Ware“ bei ihnen abliefern müßten. „Im Gegenzug stehen die dann unter dem Schutz der ‘Kanaken’“, erzählt der Jugendliche. Auch er ist sich sicher: „Welchen Glauben du hast, spielt bei denen eine entscheidende Rolle. Die Opfer sind immer Ungläubige, sie würden niemals einen ihrer Brüder angreifen.“


Foto: Betende Muslime in einer Bremer Moschee der Gruppierung Milli Görüs: „Als mir klar wurde, daß ich es mit religiösen Fanatikern zu tun hatte, war es fast schon zu spät.“