Auch die RKI-Files stehen für ein echtes Schmitt-Einander: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.“ Doch offenbar stellt die Correctiv-Crew den neuen Souverän, geistert doch das Narrativ des angeblichen Geheimtreffens weiterhin durch die Gesellschaft, obgleich eigentlich alle Behauptungen – außer Ort, Datum und Namen der Beteiligten – juristisch widerlegt sind. Entsprechend befremdet beobachte ich auch die jüngste Kundgebung im Zentrum Halberstadts unter dem Motto „Für Demokratie, für Menschlichkeit und Vielfalt“. Dabei ist es nur noch – angesichts des Bündnisses von knapp vierzig Organisationen (Parteien, Museen, Unternehmen, Vereinen, Institutionen) – ein kläglicher Haufen von vielleicht 130 Menschen. Die Chefin der Gedenkstätte des KZ Langenstein-Zwieberge warnt vor der unmittelbaren Wiederkehr von 1933 und erntet johlenden Applaus, als sie verkündet, „Höcke und die AfD“ hätten bei ihr Hausverbot. Moderiert wird die Demonstranz dieser inszenierten Angstlust von der Leiterin des Gleimhauses, also dem Museum der Aufklärung – oder vielmehr von deren Dialektik. Das ganze Theater wird getoppt von einem Mitarbeiter des Harztheaters, obgleich selbiges das Bündnis gar nicht unterstützt. Dieser halluziniert – unter angeblichem Verweis auf das AfD-Wahlprogramm – eine drohende Gleichschaltung der Theater wie im Dritten Reich. Augenscheinlich ist hier eine neue Art von Dunkelmännern am Werk, die unablässig an der Aufrechterhaltung „Dunkeldeutschlands“ arbeitet, mit Parolen in der ersten Reihe wie „AfD wählen ist so 1933“ und „Liberté, Egalité, FCK AfD“.
Die DDR-Fußballerlegende Jürgen Sparwasser schweigt über seine Flucht in die Bundesrepublik.
Auch das Friedensstadion in Halberstadt verspricht eine Zeitreise. Dort hält die Fußballerlegende Jürgen Sparwasser (75) einen Vortrag, hatte doch dessen Karriere hier begonnen. Tatsächlich demonstriert der einstige DDR-Stürmer, wie man es auf keinen Fall machen sollte. Bezeichnend ist sein nachdrücklicher Verweis auf die „Merksätze“, eine eng beschriebene DIN-A4-Seite, die via Dia-Projektor an die Wand geworfen wird – dennoch ist kein Wort zu entziffern. Ohne diese prägenden Verhaltenslehren im frühen Kindesalter, betont Sparwasser, wäre er nicht zu dem erfolgreichen Spieler herangereift – und fährt fort, ohne einen einzigen dieser Lehrsätze zu zitieren. Ebenso schweigt der mehrfache DDR-Meister und Europapokalgewinner vom 1. FC Magedeburg über seine Flucht in die Bundesrepublik im Januar 1988. Da es keine Möglichkeit für Nachfragen gibt, kann ich den Torschützen, der 1974 im WM-Spiel der DDR gegen die Bundesrepublik das 1:0-Siegtor schoß, nicht mit seinem Auftritt in unserer Schulklasse an der POS Anne Frank Mitte der achtziger Jahre konfrontieren: Damals hatte er uns vor dem Klassenfeind in der BRD gewarnt, die äußerst unsozial sei, denn: Ein einziges Brot koste fünf D-Mark. Doch opportunistisch agierte bereits die Westpresse zur Junioren-Europameisterschaft 1965, als die DDR-Mannschaft „Zonenjungs“ genannt wurde. Nach ihrem Turniersieg gegen England mit 3:2 (erstes Tor Sparwasser) hieß es plötzlich: „Wir haben gewonnen!“