© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/24 / 19. April 2024

CO2-Bilanz blockiert simple Rückkehr zum traditionellen Bauen
Auf die Verkleidung kommt es an

Die Blase der ultramodernen Architektur ist geplatzt.“ Nach den Beobachtungen des britischen Schriftstellers und Journalisten Owen Hatherley füllen sich Metropolen zwischen Sydney und Paris darum nicht mehr wie zur Jahrtausendwende mit verspielten „Signature-Buildings“ der Stararchitekten vom Schlage Frank Gehrys. Stattdessen sei die Architektur von neuer Nüchternheit geprägt: „Die Tradition ist zurück.“ Die Abwendung von der architektonischen Ultramoderne habe sich seit der Finanzkrise 2008 beschleunigt. Inzwischen sei die Sehnsucht nach „neoklassischer Stabilität“ international vielfach befriedigt worden. In China forderte Präsident Xi Jinping schon 2014 ein „Ende der seltsamen Architektur“, in Großbritannien wurde der Philosoph Roger Scruton 2018 zum Leiter einer Kommission ernannt, die für „schöne“, also traditionell gebaute Wohnhäuser sorgen sollte, und 2020 unterzeichnete der scheidende US-Präsident Donald Trump eine Verordnung zur Förderung neoklassischer Architektur.  Trotzdem sei dem „durchgeknallten globalen Modernismus“ nicht mit simpler Rückkehr zu vormodernen Architekturen zu entkommen. Wie Poundbury nahe Dorchester beweise, ein in den 1990ern realisiertes nostalgisches Projekt von König Charles III., der als Kronprinz zu den prominentesten Kämpfern gegen das moderne Bauen zählte. Gemessen an ökologischen Erfordernissen unterschieden sich die gleichermaßen CO2-intensiven Bautechnologien der Tradition und der Moderne jedoch kaum. Nur daß ein hypermodernes Bauskelett mit glänzendem Titan, jenes in Poundbury mit neogeorgianischen Klinkern verkleidet sei (Merkur, 4/2024). (ob) Foto:  www.merkur-zeitschrift.de