In den vergangenen Jahren haben die verbliebenen Kaufhäuser eine Achterbahnfahrt erlebt. Insbesondere die 2019 entstandene Galeria-Karstadt-Kaufhof-Gruppe hatte mit dem digitalen Zeitalter, Corona und der sich wandelnden Einzelhandelslandschaft zu kämpfen. Zwei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung (April 2020, Oktober 2022) und die im Januar dieses Jahres eingeleitete Regelinsolvenz waren die Folgen. Hierbei erwies sich die Pleite der österreichischen Signa-Gruppe von René Benko als der neueste Mühlstein.
Dabei haben Kaufhäuser in Deutschland eine lange Geschichte, die bis in das 19. Jahrhundert zurückreicht. Horten oder Hertie waren einst Herzstücke des Einzelhandels, die eine breite Palette von Produkten unter einem Dach anboten und ein unverzichtbarer Bestandteil des städtischen Lebens waren. Obwohl die jährliche Kundenzahl noch bei 200 Millionen liegen soll, hat sich die Situation für Kaufhäuser dramatisch verändert.
Der Lebensmitteleinzelhandel mit seinen Sonderangeboten und die Baumärkte trotzen der Konkurrenz aus dem Internet. Ansonsten bevorzugen die Kunden zunehmend die Bequemlichkeit und die fast unendliche Vielfalt des Online-Einkaufes. Dies hat zu einem Rückgang der Besucherzahlen in physischen Geschäften geführt und den Umsatz der Kaufhäuser einbrechen lassen. Dem stehen weiter die hohen Mietkosten gegenüber. Die Galeria Karstadt Kaufhof GmbH hat vorige Woche dennoch zwei neue Investoren gewonnen. Die Verträge über den Verkauf sind unterzeichnet, wie Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus mitteilte.
Die Käufer sind dabei keine Unbekannten. Der 58jährige US-Investor Richard Alan Baker war von 2015 bis 2018 bereits einmal Miteigentümer der Galeria Kaufhof GmbH, und der 73jährige deutsche Unternehmer Bernd Beetz – seit 2018 Präsident des SV Waldhof Mannheim – war als Aufsichtsrat für Kaufhof tätig gewesen. Ob das gute Omen sind, muß sich zeigen. Zumal beide genaue Konzepte und auch die Höhe ihrer finanziellen Engagements im unklaren lassen. Angeblich sollen 70 von noch 92 Standorten erhalten bleiben. Die endgültige Entscheidung falle Ende April, berichtete der Insolvenzverwalter.
Die Zukunftsfähigkeit des Filialnetzes ist fraglich
Für Ende Juli ist von ihm danach vorgesehen, die Unternehmensführung an Bernd Beetz zu übergeben. Die bisherige Führung unter Vorstandschef Olivier Van den Bossche soll vorerst weiter an Bord bleiben. Für die Gläubiger nannte der Insolvenzverwalter in diesem Zug eine Quote, die im einstelligen Bereich – jedoch höher als beim letzten Mal – liegen würde. Ein Teil der verbliebenen 12.500 Mitarbeiter muß sich eine neue Stelle suchen. Allein in der Essener Zentrale dürfte jeder zweite Job und damit 450 Menschen betroffen sein. Silke Zimmer aus dem Bundesvorstand der Gewerkschaft Verdi lobte allerdings, daß „offensichtlich ein finanzstarker Investor gefunden wurde, der Galeria als Ganzes erhalten will und über Kompetenz im Einzelhandel verfügt“.
Andere Experten sind skeptischer. Die verkündete Lösung führe nur zu einer weiteren Verlängerung des Niedergangs, meint Johannes Berentzen, geschäftsführender Gesellschafter der Handelsberatung BBE. Da komme schließlich jemand, dessen Firma es schon einmal nicht geschafft hat, und unternehme zwei Insolvenzen später einen neuen Versuch: „Das klingt für mich nicht nach einer Erfolgsstory.“
Auch die Zukunftsfähigkeit des Filialnetzes ist fraglich. Jörg Funder, Handelsexperte an der Hochschule Worms, hält sogar nur noch 20 Filialen für langfristig erhaltenswert. Alles andere sei ein Zugeständnis an den Insolvenzverwalter, um den Zuschlag zu erhalten. Ein Lichtblick für die Beschäftigten könnte der Fachkräftemangel sein. Denn im Premiumbereich besteht Hoffnung: Die Berliner KaDeWe-Immobilie gehört jetzt dem thailändischen Milliardär Tos Chirathivat und dessen Handelsunternehmen Central Group.
Bessere Chancen für Premium-Händler wie das Berliner KaDeWe
Als Kaufpreis wird der Betrag von einer Milliarde Euro kolportiert. Das wäre aber massiv unterhalb der Bewertung, die die insolvente Signa Prime Selection in ihren Büchern stehen hatte. Möglicherweise wird auch die insolvente Betreibergesellschaft KaDeWe Group noch vollständig übernommen. Damit wären auch die Warenhaus-Flaggschiffe Oberpollinger in München und das Hamburger Alsterhaus Teil der thailändischen Firmengruppe. 50,1 Prozent gehören ihr ohnehin bereits.
Knackpunkt dürfte in jedem Fall weiterhin das Verhältnis von hohen Mietkosten gegenüber dem erzielbaren Warenumsatz sein. So werden für das KaDeWe 50 Millionen Euro, für das Oberpollinger 25 Millionen Euro und für das Alsterhaus 15 Millionen Euro jährlich fällig. Allein beim KaDeWe hat das in den vergangenen Jahren zu jährlichen Verlusten in zweistelliger Millionenhöhe geführt. Bemerkenswert ist dabei, daß die in der Branche als überhöht bezeichneten und regelmäßig steigenden Mietzahlungen an die eigene Muttergesellschaft Signa gingen.
Trotz dieser Herausforderungen gibt es auch Chancen für die Zukunft von Kaufhäusern in Deutschland. Es gibt Möglichkeiten für diese traditionellen Einzelhandelseinrichtungen, sich anzupassen und zu überleben. Indem sie sich neu erfinden und auf die Bedürfnisse der modernen Verbraucher eingehen, könnten Kaufhäuser weiterhin eine wichtige Rolle im Einzelhandelsmarkt spielen. Durch die Neuausrichtung ihrer Geschäftsmodelle können Kaufhäuser innovative Lösungen entwickeln. In kleineren Regionen ist heutzutage mehr Individualität, in Großstädten dagegen mehr das Einkaufserlebnis und Exklusivität gefragt. Dennoch steht die Zukunft von Kaufhäusern in Deutschland zweifelsfrei weiter auf dem Spiel. Und geschlossene Standorte könnten dabei umgewidmet werden – in dringend gesuchten Wohnraum oder Kitas. Allerdings dürften nicht nur Brandschutzaspekte und Themen wie Leitungen und Dämmungen große Hürden darstellen: Den Städten geht damit ein weiterer Steuerzahler verloren.
Fotos: Investor Tos Chirathivat: Ist er der Retter aus Thailand? kadewe.de/store/ihr_besuch_bei_uns.html, www.galeria.de/aktuelles/aktuelle-situation