© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/24 / 19. April 2024

Nicht nur der Kakao- und Kaffeepreis geht derzeit steil nach oben
Stimmenkauf durch Rohstoffe
Thomas Kirchner

Schlechte Nachricht für Schokoladeliebhaber: Fast 7.300 Dollar kostet die Tonne Kakaobohnen aktuell, fast das Dreifache des Niveaus der vier Jahre bis 2023. In der Spitze kostete die Tonne sogar fast 10.000 Dollar. Richtig steil nach oben geht der Preis seit Januar. Ursache ist zunächst eine Trockenheit in Westafrika, dem Anbaugebiet von 80 Prozent der weltweiten Ernte, die Ausfälle von elf Prozent zur Folge hat. Verschärft wurde die Lage durch Kursabsicherungsgeschäfte von Kakaohändlern, die ihre künftige Ernte mit Futureskontrakten verkauft hatten. Nun können sie wegen der Ausfälle nicht liefern und mußten in einem steigenden Markt die verkauften Ausfälle wieder eindecken. Solche fehlgeschlagenen Absicherungsgeschäfte kommen häufiger vor, man denke an den negativen Ölpreis vom März 2020 oder die Hausse im Nickelmarkt von 2022.

Kakao ist derzeit ein Extrem-, aber kein Einzelfall. Viele Rohstoffkurse steigen wieder. Weizen, Mais und US-Erdgas des milden Winters wegen nicht, doch das Wetterphänomen El Niño könnte das in den nächsten Monaten noch ändern. Dafür steigen aber Kaffee, Metalle und Rohöl. Gold erreicht neue Höchststände (JF 16/24), Kupfer folgt, und sogar Silber bewegt sich nach mehrjähriger Schwäche. Eine gute Nachricht für die Kakaobauern in Ghana und der Elfenbeinküste ist der Preisanstieg nicht: Sie müssen ihre Ernte zu niedrigen Festpreisen an ihre jeweilige staatliche Exportbehörde abliefern. Die Gewinne aus der Differenz zum höheren Marktpreis gehen in den Staatshaushalt, wo sie an die jeweilge politische Klientel umverteilt werden. Aufgrund der Verluste aus den schiefgelaufenen Absicherungsgeschäften dürften die Behörden allerdings weniger zu verteilen haben als erwartet.

Nicht nur in der Dritten Welt ist solche Klientelpolitik verbreitet, auch in den USA unter Joe Biden. Der US-Präsident hatte die strategische Ölreserve geplündert, um für die Demokraten Stimmen bei den Zwischenwahlen 2022 zu gewinnen. Rund die Hälfte der eigentlich für Notfälle und nicht Wahlkämpfe gedachten Reserve ließ er verkaufen, um den Spritpreis niedrig zu halten. Jetzt reicht die Reserve nur noch für 17 Tage. Bei einem Kurs von 60 Dollar pro Barrel wollte er die Lager wieder auffüllen. Doch leider handelte die US-Ölsorte WTI nur kurz um die 60. Zu kurz, um überhaupt etwas zu kaufen. Biden hat sich in eine Ecke manövriert: der Spritpreis steigt in einem Wahljahr kurz vor der Hauptreisesaison.

Leert er den Rest der Reserve, während die halbe Welt brennt, steht er als verantwortungslos da. Läßt er den Spritpreis steigen, werden die höheren Rohstoffpreise deutlich sichtbar. Eine Erhöhung der US-Förderung wäre die einfachste Lösung, geht aber wegen der innerparteilichen grünen Klimalobby nicht. Daher plant Biden das Gegenteil: Förderlizenzen auf 8,5 Millionen Hektar in Alaska, die seit Jahrzehnten als Reserve für Krisenzeiten vorgehalten werden, will er aus Umweltgründen rückgängig machen.

Billig ist in den USA hingegen Erdgas. Das liegt am milden Winter, und die Lager in Salzstöcken sind prallvoll. Zusätzlich stocken Exporte von Flüssiggas (LNG), weil eines der wichtigsten Terminals von Freeport/Texas wegen eines technischen Defekts ausfiel. Das nicht exportierte Gas drückt die inländischen Preise. Das hilft wiederum den Farmern, die nur noch wenig an Mais und Getreide verdienen, denn aus Erdgas hergestellter Dünger wird nun billiger. In den vergangenen Jahren ließ der Preisschub ihre Margen schrumpfen.