© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/24 / 19. April 2024

Ein Angriff mit Ansage
Spannungen zwischen Iran und Israel: Eine Eskalation der Lage wollen weder Teheran noch Jerusalem
Marc Zoellner

Mohammad Bagheri wurde nicht müde, den Kriegszustand seines Landes mit Israel für beendet zu erklären: „Die Operation ist von unserem Standpunkt aus gesehen abgeschlossen“, erklärte der altgediente Generalmajor, der seit Juni 2016 die Streitkräfte des Iran befehligt. „Doch unsere Streitkräfte sind weiterhin in Bereitschaft und werden handeln, sobald es nötig ist.“ 

Mit seiner kurzen, aber prägnanten Stellungnahme wird Bagheri derzeit als begehrter Interviewpartner im iranischen Fernsehen wie auch in den im Land verfügbaren Printmedien herumgereicht. Denn seine Botschaft richtet sich weniger an den jüdischen Staat, sondern vielmehr an die Bürger des Iran. Immerhin versucht der Teheraner Klerus vehement, den historisch erstmaligen Angriff des Iran von iranischem Boden aus auf den Erzrivalen Israel als gelungene Machtdemonstration zu verkaufen; wohl wissend, daß die Mehrheit der Iraner längst nicht mehr hinter dem theokratischen Regime um Ali Khamenei steht.

Wie isoliert Khamenei und mit ihm auch Bagheri selbst im eigenen Land ist, bewiesen zuletzt die Parlamentswahl vom März 2024. Im Vorfeld dieser hatten selbst die ehemaligen iranischen Präsidenten Hassan Rohani und Mohammad Chātami zu Protestwahlen aufgerufen. Das allgemeine Stimmungsfeld zeigte sich am Ende in der Wahlbeteiligung: Nur vierzig Prozent aller Iraner gaben überhaupt noch ihre Stimmen ab. 

Auf seine Nachbarländer kann sich Teheran nicht verlassen  

Und auch in der eigenen Nachbarschaft des Nahen Ostens mußte die Teheraner Regierung vergangenes Wochenende eine bittere Pille schlucken. Denn gleichwohl Bagheri als Kommandeur und Hossein Amir-Abdollahian als Außenminister der Islamischen Republik bei den umliegenden Staaten um Gewährleistung des iranischen Militärschlags warben, schlossen diese nicht nur ihre Lufträume. Insbesondere Jordanien, aber auch Saudi-Arabien und wahrscheinlich ebenso die Vereinigten Arabischen Emirate leisteten Israel bei der Abwehr der iranischen Flugkörper sogar aktiv Schützenhilfe. Statt dem erhofften Großangriff gelang dem Iran nur eine wortwörtliche Bruchlandung.

Die Wirkkraft des iranischen Angriffs vom 13. April faßte der israelische Satirekanal „TheMossadIL“ auf X treffend zusammen: „Vergeßt niemals, was das iranische Regime uns am 14. April 2024 angetan hat“, schrieb dieser. „Wir werden alles wieder aufbauen.“ Auf dem beigefügten Foto war nichts als ein kleines Loch in der Wüste Negev zu erkennen. Tatsächlich hatte der „Iron Dome“, das israelische Raketenabwehrsystem, in Kooperation mit benachbarten Luftstreitkräften sowie jenen der USA, Frankreichs und Großbritanniens effektiv funktioniert. Von über 300 iranischen Geschossen wurden fast sämtliche noch im Anflug abgeschossen. Lediglich drei Raketen schlugen in ein Rollfeld der Israelischen Luftwaffe ein, ferner erlitt ein Beduinenkind leichte Verletzungen durch herabfallende Trümmer. Der Betrieb des „Iron Dome“ kostete hingegen nach Angaben des Brigadegenerals Reem Aminoach umgerechnet über eine Milliarde Euro.

Als „Reaktion auf die wiederkehrenden militärischen Aggressionen Israels“ war der iranische Angriff von Teheran bereits im Vorfeld angekündigt und wurde vom iranischen Botschafter Amir Saeid Iravani auch in einem Schreiben an den UN-Vorsitz gerechtfertigt. Vorausgegangen war diesem am 1. April ein Luftschlag der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) auf ein Nebengebäude des iranischen Konsulats in der syrischen Hauptstadt Damaskus. 

„Ein sehr begrenzter Angriff, der Schmerzen verursacht“

Unter den Opfern befand sich Mohammad Reza Zahedi, ein hochrangiges Mitglied der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC), einer Teilstreitkraft der iranischen Armee. Israelischen Angaben zufolge soll Zahedi einer der strategischen Planer des Massakers vom 7. Oktober 2023 gewesen sein, bei dem radikalislamische Hamas-Kämpfer rund 1.200 Menschen in Israel ermordeten sowie weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppten.

Lange hatten sich am Montag die Beratungen des israelischen Kabinetts über mögliche Optionen im Umgang mit dem iranischen Angriff hingezogen. Erst am späten Nachmittag informierte der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant seinen US-amerikanischen Amtskollegen Lloyd Austin, daß Israel „antworten muß“. Im Gespräch war dabei „ein sehr begrenzter Angriff, der Schmerzen verursacht, aber menschliche Verluste vermeidet“. Jerusalem ist sich der prekären Lage bewußt, bei einen Gegenschlag weder auf die Kooperation der USA noch seiner europäischen Verbündeten zurückgreifen zu können. 

Neben Washington hatten auch London und Paris eindringlich vor einer „Eskalation“ und einem „Flächenbrand“ gewarnt. Auch Rußland und China, zwei strategische Partner des Iran, mahnten beide Parteien zur „Mäßigung“ und riefen „besonders die Länder mit Einfluß in der Region“ zur Vermittlung auf. 

Ein besonderer Gradmesser der israelischen Entscheidungsfindung dürfte – insbesondere mit Blick auf die schwache Auswirkung des iranischen Erstschlags – jedoch die jüngste Drohung des iranischen Außenministers Amir-Abdollahian sein, der am Montag verkündete: „Wenn das israelische Regime seine abenteuerlichen Schritte fortsetzen will, werden die Vergeltungsmaßnahmen schnell und groß angelegt sein.“ Die Reaktion Israels, die noch für diese Woche erwartet wird, dürfte dementsprechend unkonventionell ausfallen.