Tunesien gilt als das liberalste arabische Land, also warum nicht die Probe aufs Exempel machen? Unbekümmert betrete ich den Hof der Großen Moschee in Kairouan, obwohl die Gebetszeit naht – und werde prompt vom Zerberus zurückgepfiffen. Nach einem kurzen Palaver reicht er mir als Zeichen der Freundschaft die Hand, um sofort darauf laut vorbeifahrende Rollerfahrer zu schelten.
Ich muß schmunzeln, denn genau dieselbe Szene habe ich bereits vergangenes Jahr hier erlebt. Wieder bin ich während des Ramadans da, der vergangene Woche zu Ende gegangen ist. Im vorigen Jahr lud der Wärter der Hauptmoschee in Tunis mich sogar zu einem Rundgang ein, nachdem er gesehen hatte, daß ich das Schild „Zugang verboten für Nicht-Muslime“ demonstrativ ablichtete.
Tunesien ist Schauplatz mehrerer islamistischer Massaker an westlichen Urlaubern gewesen, aber als Alleinreisender erlebe ich viel Hilfsbereitschaft von den Einheimischen. Erkennbar ist man darum bemüht, ein gutes Bild von Land und Leuten abzugeben. Als ich alleine vom antiken Thugga heruntermarschiere, bietet mir ein verdutzter Anwohner eine Rollerfahrt mit seinem Sohn in den nächsten Ort an. Und nach dem Besuch in der Ruinenstätte von Mactaris organisieren mir die besorgten Wächter ungefragt eine kostenlose Mitfahrgelegenheit in das ferne Kairouan.
Beim Besuch Karthagos kommen mir unweigerlich Parallelen zur deutschen Selbstzerstörungspolitik in den Sinn.
Das Haupttransportmittel über Land ist das Sammeltaxi, Louage genannt. Eine feste Reiseplanung ist mit diesem System allerdings nicht möglich; der Neunsitzer fährt erst dann ab, wenn alle Plätze besetzt sind. Die Landschaft in Nordtunesien ist überraschend grün und fruchtbar. Man beginnt zu erahnen, warum Africa Proconsularis eine der Kornkammern des Imperium Romanum war.
Die weltbekannten Mosaiken aus den Villen der römischen Großgrundbesitzer zeugen in den Museen noch heute vom landwirtschaftlichen Reichtum der Provinz. An den Wochenenden finden im Zentrum von Tunis Demonstrationen für die palästinensische Sache statt. Zwar wirkt die Zahl der Teilnehmer gering, aber palästinensische Flaggen in Hotels, Taxis und anderswo lassen keinen Zweifel daran, wem die allgemeine Solidarität gilt.
Das abendliche Fastenbrechen wird vielerorts durch einen Kanonendonner eingeläutet. Wo vorher noch das pralle Leben herrschte, sind nun die Läden verrammelt und die Straßen gespenstisch verwaist. Alle sind beim Essen. Erst am späten Abend öffnen wieder die Geschäfte, für viele beginnt jetzt die eigentliche Einkaufszeit. Beim späteren Besuch der Ruinen von Karthago kommen mir zum Schluß unweigerlich Parallelen zur deutschen Selbstzerstörungspolitik in den Sinn.