© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/24 / 19. April 2024

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Bayern schrumpfen auf Normalmaß
Paul Rosen

Die CSU-Landesgruppe im Bundestag schrumpft von 45 auf 43 Abgeordnete. Daß dies ohne Neuwahlen zum Bundestag passiert, hängt mit dem komplizierten Wahlrecht zusammen. Normalerweise würde beim Ausscheiden eines Abgeordneten aus dem Bundestag oder im Todesfall ein neuer Abgeordneter von der Landesliste der Partei nachrücken. Das war zum Beispiel so, als Ende letzten Jahres der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble starb. Für ihn rückte Stefan Kaufmann (CDU) nach. 

Anders lag der Fall bei der teilweisen Wiederholung der Bundestagswahl im Frühjahr in Berlin, als die FDP so schlecht abschnitt, daß Lars Lindemann (FDP) sich zwangsweise aus dem Bundestag verabschieden mußte und es auch keinen Nachrücker von einer anderen FDP-Landesliste gab. Nun legte mit dem früheren Verkehrsminister Andreas Scheuer der erste Christsoziale in dieser Legislaturperiode sein Mandat nieder. In Scheuers Zeit als Verkehrsminister fiel das Scheitern der Autobahnmaut, und auch in den anderen Arbeitsgebieten des Ministeriums gelang es ihm nicht, sich einen positiven Namen zu machen. Aus seiner Heimat Passau ist zu hören, seine Parteifreunde dort hätten ihn für die nächste Wahl 2025 gewiß nicht mehr aufgestellt. Wohl aus diesem Grund hatte er schon den Verzicht auf eine erneute Kandidatur bekanntgegeben. Warum er nun ohne Not bis Herbst 2025 auf derzeit 10.591,70 Euro Diäten im Monat, auf 5.051,54 Euro steuerfreie Kostenpauschale und wertvolle Monate für die üppige Abgeordneten-Altersversorgung verzichtet, bleibt rätselhaft. Scheuer will offenbar als Berater tätig werden.

Klarer ist das Motiv beim zweiten ausscheidenden CSU-Abgeordneten: Stefan Müller, einst Parlamentarischer Geschäftsführer der Landesgruppe, will sein Mandat niederlegen, um Präsident des Bayerischen Genossenschaftsverbandes zu werden. Das Amt ist mit Sicherheit lukrativer als der Job eines Bundestagsabgeordneten.

Eine Zeitlang war es so, daß bei Überhangmandaten (eine Partei erobert mehr Direktwahlkreise als ihr nach prozentualem Wahlergebnis zustehen würden) die anderen Parteien Ausgleichsmandate erhielten. Um den Bundestag nicht noch mehr aufzublähen, setzte damals die CSU eine Regelung durch, daß die ersten drei Überhangmandate einer Partei bei anderen Parteien nicht mit Ausgleichsmandaten ausgeglichen werden müssen. 

Die Regelung wendet sich jetzt gegen die CSU mit ihren vielen Überhangmandaten: Es gibt keine Nachrücker, wenn eine Partei Überhangmandate bekommen hat, die bei anderen Parteien nicht mit Ausgleichsmandaten ausgeglichen wurden. Spötter meinen, die CSU-Landesgruppe schrumpfe jetzt auf Normalmaß, da sie ihren bundespolitischen Anspruch unter dem Vorsitzenden Alexander Dobrindt weitgehend aufgegeben habe. Und daß es im Fall Scheuer keinen Nachrücker gibt, wird von vielen in der CSU als unproblematisch angesehen. Scheuer, so heißt es, hinterlasse eh keine Lücke, die man schließen müsse.