Führende Grünen-Politiker haben nie ein Hehl aus ihrer Abneigung gegenüber Deutschland gemacht. „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wußte mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht“, fiel dem späteren Vizekanzler Robert Habeck zur Wiedervereinigung ein. Auf dem Briefkopf des Grünen-Oldies Jürgen Trittin hieß es in seiner Minister-Zeit „Mitglied des Bundestages“. Die korrekte Bezeichnung lautet „Mitglied des Deutschen Bundestages“. Sei es drum. Mitte Mai wird Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den einstigen Umweltminister mit einer Rede zu dessen Abschied aus der Politik ehren.
Und Claudia Roth? Sie nahm 2015 an einer Anti-AfD-Demonstration teil, auf der „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ und „Deutschland verrecke“ skandiert wurde. Die damalige Bundestagsvizepräsidentin will dies nicht gehört haben, grenzte sich aber im Gegensatz zu anderen Beteiligten auch nicht ab. „Ich muß mich nicht distanzieren, nur weil die AfD das will“.
Neun Jahre später nutzt Roth als Kulturstaatsministerin ihre exekutive Macht. Nahezu unbemerkt neben innenpolitischen Megathemen wie Haushaltsverschuldung oder Klimaschutz treibt die grün dominierte Ampel-Koalition den gesellschaftspolitischen Umbau des Staates energisch voran. Die oberste Kulturpolitikerin des Landes leitet gerade einen Kurswechsel in der deutschen Geschichtspolitik ein. Augenfälligstes Beispiel: die von der Grünen-Politikerin bereits im September verfügte Namensänderung des „Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa“ (BKGE).
Die Worte „der Deutschen“ wurden ohne große Diskussion aus dem Institutsnamen gestrichen. Aufgefallen war diese Kaschierung zunächst offenbar niemandem. Es ist bereits die zweite Namensänderung des Instituts. Bei der Gründung 1989 hieß es bis zum Jahresende 2000 noch „Bundesinstitut für ostdeutsche Kultur und Geschichte“.
Die Opposition aus CDU/CSU und AfD protestiert lautstark, aber erfolglos gegen die Umbenennung, die Koalitionspartner SPD und FDP nehmen diese widerspruchslos zur Kenntnis. Der Bund der Vertriebenen (BdV), einst ein mächtiger Verband der Heimatvertriebenen, zeigte sich überrumpelt. Es fühle sich so an, „als habe man sich ‘der Deutschen entledigt’ und wirke dadurch mit am Unsichtbar-Machen eines originären Teils deutscher Geschichte. Unser Schicksal paßt wohl nicht mehr zum ideologischen Zeitgeist einer von ‘Mobilität und Migration geprägten Einwanderungsgesellschaft’“, kritisierte Präsident Bernd Fabritius, der einst für die CSU im Bundestag saß.
Kein Fortschritt beim Mahnmal für Opfer des Kommunismus
Der CDU-Vertriebenenpolitiker Christoph de Vries sprach von einer „Herabwürdigung der deutschen Heimatvertriebenen und Heimatverbliebenen im Ausland“. Die Union werde alles tun, um die Namensänderung rückgängig zu machen. Nach Ansicht des AfD-Kulturpolitikers Marc Jongen treibt Roth in aller Konsequenz das „rot-grüne Projekt der Entdeutschung der Erinnerungspolitik voran“.
Im aktuellen Institutsprofil des BKGE wird das Schicksal der von Historikern auf 14 Millionen geschätzten deutschen Heimatvertriebenen aus Ostpreußen, Pommern, dem Sudetenland und Schlesien marginalisiert. „Die Geschichten dieser Menschen sind für uns nicht Vergangenheit, sondern Teil der postmigrantischen Gegenwart Deutschlands. Wir arbeiten dafür, sie präsent und lebendig zu halten“, heißt es dort empathielos und lapidar. Postmigrantisch meint, daß die Erinnerung an die Schicksale der (deutschen) Vertriebenen aufgeht in den Fluchtgeschichten von (nicht deutschen) Einwanderern, die seit 2015 in großer Zahl, zum erheblichen Teil illegal, ins Land strömen.
Gesetzliche Grundlage des BKGE ist das Bundesvertriebenengesetz. Es verpflichtet in Paragraph 96 Bund und Länder, „das Kulturgut der Vertreibungsgebiete in dem Bewußtsein der Vertriebenen und Flüchtlinge, des gesamten deutschen Volkes und des Auslandes zu erhalten“. Zudem soll die Weiterentwicklung der Kulturleistungen der Vertriebenen und Flüchtlinge gefördert werden. Man wird sehen, ob die rund 20 Institutsmitarbeiter den gesetzlichen Auftrag künftig erfüllen werden. Motiviert werden sie durch ihre Dienstherrin wohl kaum. In ihrer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung hatte die Unionsfraktion auch wissen wollen, wann Roth das in Oldenburg ansässige Institut zuletzt besucht hat. „Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat bei einer Reihe von Veranstaltungen des BKGE persönlich mitgewirkt“, heißt es in der Antwort von Anfang April. Besuch also Fehlanzeige.
Weiterhin Fehlanzeige ist auch beim Dauerthema „Errichtung des Denkmals zur Mahnung und Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Diktatur in Deutschland“ zu verzeichnen. Bereits Ende 2019 hatte sich der Bundestag für das Vorhaben ausgesprochen. Inzwischen haben sich der Bund und der Berliner Bezirk Mitte auf den Standort Spreebogenpark geeinigt. Auf Fragen der JUNGEN FREIHEIT, ob Roth noch in dieser Wahlperiode, also bis zum Herbst 2025, mit einer Ausschreibung des Gestaltungswettbewerbs rechnet, heißt es: „Eine belastbare zeitliche Prognose ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich.“
Belastbar ist im Sinne Roths ihr geplantes „Rahmenkonzept Erinnerungskultur“. Die Kulturstaatsministerin will die inhaltliche Arbeit der Gedenkstätten zur Erinnerung an das NS-Unrecht und die SED-Diktatur erweitern um die Themen Migrationsgesellschaft, Kolonialismus und Demokratiegeschichte. Eine erinnerungspolitische Zeitenwende. Im Koalitionsvertrag der Ampel war eher nebulös formuliert worden: „Die Geschichtsvermittlung der und in die Einwanderungsgesellschaft wird vorangetrieben“. Alle Gedenkstätten, die sich der Aufarbeitung der ersten und der zweiten Diktatur widmen, haben in einem gemeinsamen Schreiben an Roth protestiert. Im Mai soll es ein klärendes Gespräch geben.