© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/24 / 12. April 2024

Kabinenklatsch
Was für ein Armutszeugnis!
Ronald Berthold

Wer hätte vor der Saison für möglich gehalten, daß die deutsche Fußball-Meisterschaft am 29. Spieltag entschieden sein könnte? Ich! Allerdings traute ich das dem FC Bayern zu. An eine andere Mannschaft und erst recht nicht Bayer Leverkusen hatte ich dabei nicht gedacht. Nun reicht den Rheinländern am Sonntag ein Heimsieg gegen Werder Bremen, um sich vorzeitig zum Titelträger zu krönen. Dabei hilft es den Bayern nicht einmal mehr, wenn sie den Vorletzten, den 1. FC Köln, schlagen. Und dieser Sieg ist – anders als in den Jahren zuvor – absolut keine Selbstverständlichkeit mehr. Vielmehr ist er für die Münchner nötig, um vor den punktgleichen Stuttgartern den zweiten Platz zu verteidigen. Und Neu-Manager Max Eberl sprach gar davon, daß man wenigstens die Champions-League-Qualifikation schaffen wolle. Das neue Mindestziel lautet nun also Platz vier.

Was für ein Armutszeugnis! Ich kann mich noch erinnern, mit welchem Trommelwirbel die Bayern vor gut einem Jahr Julian Nagelsmann feuerten, um den arbeitslosen Thomas Tuchel unter Vertrag zu nehmen – in der Panik, ein anderer Klub könnte den angeblichen Wundertrainer verpflichten. Das Ergebnis war schon damals ernüchternd. Erst flog er mit Bayern aus dem DFB-Pokal, und dann holte er nur wegen der Unfähigkeit von Borussia Dortmund in letzter Sekunde den Meistertitel. Daß nun wieder Nagelsmann Top-Favorit unter den Tuchel-Nachfolgern für die nächste Saison sein soll, ist das nächste Bayern-Armutszeugnis. Der Verein wurde in kürzester Zeit heruntergewirtschaftet. Allerdings ist es auch wohltuend, daß die Dominanz mit elf Meisterschaften in Folge gebrochen wurde. Und vielleicht beginnt eine neue Ära.