© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 16/24 / 12. April 2024

Frisch gepreßt

Schmitt & Schnur. Um es in der korrekten Diktion des Wehrmachtberichts zu sagen: 1943, während eines „angloamerikanischen Terrorangriffs“ auf die Reichshauptstadt, lernt ein Vetter des „Flakhelfers“ Roman Schnur (Jahrgang 1927) Carl Schmitt im Luftschutzkeller der Staatsbibliothek kennen. Er nimmt aus dem Gespräch die Anregung für den Abiturienten mit, sich zur Vorbereitung aufs Jurastudium in Schmitts „Verfassungslehre“ zu vertiefen. Was Schnur auch tat, und die Lektüre hatte eine „nachhaltige, Weichen stellende Wirkung“ auf ihn, wie Martin Tielke betont, der dieses biographische Detail in der Einleitung zu seiner Edition des opulenten Briefwechsels der beiden Staatsrechtslehrer überliefert. Die Beziehung zu Schmitt, der als vermeintlicher „Kronjurist des Dritten Reiches“ nicht mehr ins Lehramt zurückkehren durfte und sich im heimatlichen Plettenberg in der inneren Emigration einrichten mußte, wurde für den späteren Tübinger Ordinarius für Öffentliches Recht zum Maßstab seiner ganzen wissenschaftlichen Laufbahn. Diese frühe Prägung durch CS bestimmte den „Enkelschüler“ Schnur, „das schwierige Leben dessen zu führen, der tiefer sieht als andere“, wie Arnold Gehlen ihm 1962 wahrsagte. Sie garantiert aber auch, daß die Korrespondenz selten in Fachsimpelei abrutscht, sondern einen zeitdiagnostisch scharfen, mit Sarkasmen gewürzten Beitrag zur Intellektuellengeschichte der Bonner Republik liefert. Die ein El Dorado der Geistes-, Wissenschafts- und Meinungsfreiheit war, verglichen mit dem semitotalitären Berliner Buntland. Auch darüber steckt dieser Briefschatz dem historisch interessierten Leser ein helles Licht auf. (wm)


Martin Tielke (Hrsg.): Carl Schmitt – Roman Schnur: Brief­wechsel 1951 bis 1983. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2023, gebunden, 802 Seiten, Abbildungen, 99,90 Euro




Weltrettung. Was hat schwerwiegendere Folgen: der Klimawandel oder die politische Reaktion darauf? Karl Reitter vertritt die These, daß letztere mehr Schaden zufügt. Der langjährige Sozialphilosoph an der Universität Wien und bekennende Marxist reiht sich in die Gruppe jener ein, die den menschlichen Einfluß auf das Klima für überschätzt halten. Das Ziel, die globalen CO2-Emissionen zu senken, sei nur ein Mittel, um die Krise des Kapitalismus zu überwinden. Sämtliche linke Forderungen in der Migrations-, Außen- und Sozialpolitik sollen dem klimapolitischen Primat untergeordnet werden. Zuden weise die Rhetorik bekannter Befürworter umweltpolitischer Verschärfungen eine „undifferenzierte Anklage“ gegen die ältere Generation auf. Dazu hätten vor allem der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore und die „Fridays for Future“-Gründerin Greta Thunberg beigetragen. (kuk)


Karl Reitter: Gemeinsam die Welt tetten. Vom Klimaalarm zum Green New Deal. ProMedia Verlag, Wien 2024, broschiert, 264 Seiten, 25 Euro